Die Presse ist seit Sommer vergangenen Jahres voller Meldungen über Air Berlin. Viele der dort beschriebenen Vorkommnisse dürften den Eigenarten eines derartigen Großverfahrens geschuldet sein. Einige Details jedoch sind bemerkenswert – und werfen erneut Fragen zur Legitimation staatlicher Eingriffe in Insolvenzverfahren auf.
Dementsprechend wird nachfolgend kurz die Chronologie des bisherigen Absturzes zusammengefasst, schon damit man in der Flut der Meldungen den Überblick über die wichtigen Wendungen des Falles behält. Danach wird versucht, einige „merk-würdige“ Details des Falles ein wenig auszuleuchten.
Eine kurze Chronologie
- Vor seinem Wechsel auf den Chefsessel bei Air Berlin am 1. Februar 2017 war Herr Thomas Winkelmann bei der Lufthansa, bzw. deren Tochtergesellschaften angestellt. Normalerweise werden bei Verträgen mit derartigem Rang gewisse „Cooling Off“-Perioden vereinbart. Ob und wie die im Fall gehandhabt wurden, lässt sich aus den Pressemeldungen nicht entnehmen.
- Für gesunde Unternehmen auch eher ungewöhnlich – aber für Unternehmen in der Krise um so üblicher – ist, dass sich Herr Winkelmann seine Vorstandsvergütung über eine Bankbürgschaft seitens Etihad absichern ließ. Auch wenn (der spätere Eigenverwalter) Herr Kebekus zu Recht darauf hinweist, dass das Honorarvolumen von 4,5 Euro damit eben nicht von der insolventen Fluggesellschaft getragen würde (hier), so ist diese Absicherung doch ein Indiz dafür, dass Herrn Winkelmann die Krise der Fluglinie wahrscheinlich schon vor seinem Dienstantritt nicht unbekannt war.
- Ende April 2017 meldete Air Berlin für das Geschäftsjahr 2016 einen Verlust von Euro 782 Mio. (hier).
- Laut Presseberichten hat Ethiad am 27. April 2017 (scheinbar auf Verlangen des Abschlussprüfers KPMG) der angeschlagenen Air Berlin zusätzlich zur vorzeitigen Auszahlung von Krediten noch einen „Letter of Comfort“ mitgegeben – der wahrscheinlich die sog. „Fortführungsprognose“ für das Unternehmen absichern sollte (hier).
- Am 4. Mai 2017 berichtet Die Welt (hier), dass Air Berlin eine Tochtergesellschaft namens „Air Berlin Aeronautics GmbH“ gegründet habe, an der die Lufthansa mit einem kleinen Anteil beteiligt sei. In diese Gesellschaft sollen angabegemäß die an die Lufthansa-Gruppe vermieteten 38 Airbus samt Besatzungen eingebracht werden. „Branchenkenner sehen einen Schachzug: Über den Zwischenschritt mit der neuen Air Berlin Aeronautics samt Lizenz vom Luftfahrtbundesamt könnte Lufthansa/Eurowings den Betrieb der von Air Berlin ausgeliehenen 38 Airbus unterbrechungsfrei weiterführen, selbst wenn Air Berlin Pleite ginge“, so Die Welt, ähnlich prophetisch wie das Manager-Magazin (s. unten). Die Maßnahme könnte aber simpel auch Teil eines (letztlich gescheiterten) Restrukturierungsversuchs gewesen sein.
- Anfang Juni 2017 scheiterte dann die Verschmelzung von TuiFly und Niki (s. hier), die ein Befreiungsschlag hätte sein können.
- In enger zeitlicher Nähe dazu, also auch Anfang Juni 2017, beantragte Air Berlin Staatshilfen bei den Ländern Berlin und NRW (s. hier). Diese Staatshilfen wurden jedoch abgelehnt.
- Auf Eigenantrag von Air Berlin wurde am 15. August 2017 die vorläufige Insolvenz in (vorläufiger) Eigenverwaltung über Air Berlin eröffnet (s. hier für den Insolvenzbeschluss), Herr Flöther als vorläufiger Sachwalter bestellt, während Herr Kebekus als „Generalbevollmächtigter“ von Air Berlin als vorläufiger Eigenverwalter agiert.
- Scheinbar zeitgleich mit dem Eröffnungsbeschluss „zaubert“ Air Berlin dann auch einen sog. „Massekredit“ von Euro 150 Mio. der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aus dem Hut (hier), der verhindern soll, dass die Flugzeuge der insolventen Fluglinie sogleich „gegrounded“ werden und somit der Flugbetrieb zusammenbricht. Böse Zungen behaupten, dass den Politikern das Geld auch deswegen so locker saß, weil sie sechs Wochen vor der Bundestagswahl keine Bilder von tausenden gestrandeter Sommerurlauber im Fernsehen haben wollten.
- Man muss den Tenor und Duktus des schon fast schon hellseherischen Manager-Magazin-Kommentars vom 30. August 2017 (!) (hier) nicht teilen, aber der in der Folge tatsächlich erfolgte Zuschlag über große Teile von Air Berlin für die Lufthansa gibt ihm Recht.
- Die Lufthansa bot im Endeffekt nur für „zwanzig bis vierzig“ Kurz- und Mittelstreckenjets von Air Berlin – zusätzlich zu den schon über die bereits oben genannte Air Berlin Aeronautics GmbH“ (hier). Beim Vollzug des Kaufvertrages – der aber noch Niki beinhaltete (dazu sogleich unten) – betrug der Kaufpreis noch etwa Euro 210 Mio. (hier).
- Herr Wöhrl hat zwar ein mit Euro 500 Mio. dotiertes Angebot abgegeben, welches zumindest nominal deutlich über dem der Lufthansa lag. Glaubt man der WiWo (hier), dann wären aber sofort nur Euro 50 Mio. geflossen und der Rest war dann wohl eher erfolgsabhängig ausgestaltet.
- Neben Utz Claassen und anderen Unternehmen bot Niki Lauda in diesem Stadium des Verfahrens zusammen mit Thomas Cook für seine ehemalige Airline insgesamt bis zu Euro 100 Mio. (hier).
- Sowohl der Verkehrsminister, Herr Dobrindt als auch die Wirtschaftsministerin, Frau Zypries, sprachen sich im Vorfeld der Entscheidung für eine Übernahme der Air Berlin durch die Lufthansa aus (hier).
- Nicht nur Der Spiegel (hier) wies deswegen auch schon im Vorfeld der Entscheidung auf die „Schlagseite“ im für die Verkaufsentscheidung zuständigen Gremium, dem sog. „Gläubigerausschuss“, hin.
- Und tatsächlich gehören nach Medieninformationen dem vorläufigen Gläubigerausschuss neben einem Vertreter der Bundesagentur für Arbeit ein Vertreter von Air Berlin, ein Vertreter der Commerzbank, ein Vertreter der Lufthansa-Tochter Eurowings und ein im Insolvenzrecht tätiger Rechtsanwalt aus Berlin als Vertreter der Leasinggeber der Flugzeuge an (hier).
- Der Gläubigerausschuss erteilte dann – erwartungsgemäß – Mitte Oktober 2017 der Lufthansa den gewünschten Zuschlag für den Erwerb großer Teile von Air Berlin (hier).
- Eigentlich nicht weiter verwunderlich war dann, dass die Lufthansa mit einer durchschnittlichen Marktbeherrschung von 90% erst einmal die Flugpreise erhöhte (hier) und in der Folge – wie ebenfalls zu erwarten – vom Bundeskartellamt gerügt wurde (hier).
- Nachdem die europäischen Wettbewerbsbehörden darauf hin nicht völlig überraschend Bedenken gegen die Übernahmepläne der Lufthansa äußerten (hier), zog die Lufthansa ihre Offerte für Niki Mitte Dezember 2017 zurück (hier)…
- …was zur sofortigen Insolvenz einschließlich „Grounding“ der Niki-Flugzeuge am 13. Dezember 2017 führte (hier).
- Auf Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg am nächsten Tag wurde ein vorläufiges Insolvenzverfahren zunächst in Berlin, Deutschland, eröffnet und Herr Flöther zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Niki bestellt (hier).
- Dieser einigte sich mit der „Mutter“ von British Airways, IAG, wenige Tage nach Weihnachten über den Verkauf von Niki zu einem Kaufpreis von Euro 20 Mio. (hier).
- Auf die Beschwerde eines Gläubigers (Fairplane) hielt das Amtsgericht Charlottenburg seine Entscheidung über die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens in Berlin mit Entscheidung vom 4. Januar 2018 aufrecht (hier), musste aber, da der Beschwerde nicht stattgegeben wurde, die Sache zur weiteren Entscheidung an das Landgericht Berlin weitergeben.
- Vor der Entscheidung des LG Berlins wurde allerdings vom österreichischen Landesgericht Korneuburg um den 10. Januar 2018 herum ein Konkursverfahren über Niki in Österreich eröffnet (hier).
- Am 24. Januar 2018 wurde dann in der Presse gemeldet, dass sich die österreichische Insolvenzverwalterin, Frau Reisch, und Herr Flöther in einer – nicht näher beschriebenen – Kooperation – über den Verkauf von Niki an Niki (Lauda) geeinigt hätten (hier).
- Demgegenüber wurde der Verkauf von weiteren Teilen von Air Berlin an Easyjet von den europäischen Wettbewerbshütern „durchgewunken“ (hier).
- Vor der ersten Gläubigerversammlung am 24. Januar 2018 kam es dann zu den mittlerweile bei größeren Insolvenzen scheinbar üblichen „Pump & Dump“ Spielen mit der wertlosen Air Berlin Aktie (hier).
- Ein bekannter (und schillernder) „Berufsvertreter“ für Anleihegläubiger scheint im Zuge der Vorbereitung der Gläubigerversammlung eine Frist verpasst zu haben (hier), was ärgerlich ist, weil die Anleihe (hier) wohl nicht nachrangig ist – und die Anleihegläubiger damit als normale („einfache“) Insolvenzgläubiger zu betrachten sind. Somit konnte sich der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger nicht in den Gläubigerauschuss wählen lassen.
- Über ein Portal (hier) versuchte ein Rechtsdienstleister so viele Gläubiger um sich zu versammeln, um seine Wahl in den Gläubigerausschuss (als Vertreter der Kleingläubiger) durchzusetzen – ebenfalls vergeblich.
- Die Gläubigerversammlung kam aber sowieso zum erwarteten Ergebnis – die Insolvenzgläubiger werden leer ausgehen…(hier).
- Zwischenzeitlich hat Niki Lauda (im Verbund mit Thomas Cook) für Niki nach Presseberichten Euro 47 Mio. gezahlt (hier).
Merkwürdigkeiten
Nachfolgend sollen einige Details aus der Chronologie des Falles herausgegriffen und näher beleuchtet werden. Vieles bleibt dabei schon angesichts der fehlenden vertieften Sachverhaltskenntnis im Ungefähren, Stoff zum Nachdenken sollten die Ausführungen gleichwohl liefern.
(Vorläufige) Eigenverwaltung bei absehbarer Zerschlagung?
Schon zu Beginn des Verfahrens war es offensichtlich, dass Air Berlin weder als Ganzes noch in Teilen erhalten bleiben würde oder sollte. Vielmehr kursierten von Anfang an Zerschlagungsszenarien als prioritärer Verfahrensausgang.
Selbst wenn die Eigenverwaltung auch in einem Zerschlagungsszenario nicht per se ausgeschlossen ist, so ist sie dann doch eher die Ausnahme, denn die Regel. Warum ausgerechnet in diesem Verfahren dann doch die (vorläufige) Eigenverwaltung angeordnet wurde, bleibt – gerade im Zusammenhang mit der Gewährung des Massekredits (s. unten) – im Dunkeln. Möglicherweise ist die Erläuterung ganz einfach und die Eigenverwaltung wurde in Verfolgung eines Versuchs, die Airline als Ganzes zu retten, angestrebt – und lief dann ins Leere.
Allerdings könnte man daneben auch unterstellen, dass hier bestimmte (Gläubiger-) Gruppen, ein Interesse an einem speziellen Verfahrensausgang hatten und sich deswegen die Besonderheiten der Insolvenzordnung zu Nutze machten: Nach § 56 a Abs. 2 InsO darf das Gericht nämlich nur bei Ungeeignetheit von einem einstimmigen Vorschlag des (vorläufigen) vorläufigen Gläubigerausschusses bezüglich der Person des vorgeschlagenen Insolvenzverwalters abweichen. Angesichts der sofortigen Bestellung des vorläufigen Sachwalters nach Antragstellung und fast sofortiger Bereitstellung des Massekredites kann man davon ausgehen, dass das Verfahren vorbereitet wurde (es wäre auch schlecht, wenn das Verfahren nicht vorbereitet worden wäre) und die Entscheidung über die Person des vorläufigen Sachwalters einstimmig erfolgte (also das Gericht im Zweifel gebunden hat). Dann ist es aber nicht fernliegend, zu vermuten, dass die Vergabe des Massekredites mit der Anordnung einer bestimmten Personenkonstellation verknüpft wurde. Warum es aber diese Personenkonstellation und gerade in Eigenverwaltung sein musste, könnte sich aus den nachfolgenden Erläuterungen zum (vorläufigen) Gläubigerausschuss erschließen.
(Vorläufiger) Gläubigerausschuss
Nach derzeitiger Kenntnis des Sachverhaltes sicherte die Zusammensetzung des vorläufigen Gläubigerausschuss möglicherweise eine abgesprochene konkrete Personen- und Verfahrenskonstellation ab. Nach § 67 Abs. 2 InsO „sollen“ auch dem sog. vorläufigen Gläubigerausschuss (also ein Ausschuss, der vor der Eröffnung des eigentlichen Verfahrens gebildet wird) neben einem Vertreter der Arbeitnehmer und absonderungsberechtigten Gläubigern nämlich auch ein Vertreter der Kleingläubiger angehören. Als „Kleingläubiger“ würde ich hier insbesondere die zahlreichen Fluggäste der Air Berlin ansehen, deren Flugtickets verfallen sind – und denen ja immer wieder gesagt wird, sie würden leer ausgehen.
Warum bei einem Insolvenzgericht, welches sonst so viel Wert auf eine gut ausbalancierte Gläubigerbeteiligung legt, diese – durchaus relevante – Gläubigergruppe nicht zur Vertretung in so einem zentralen Gremium, wie dem Gläubigerausschuss, zugelassen wird, lässt sich nur schwer erklären. Zu Beginn des Verfahrens dürfte es zwar durchaus Hindernisse gegeben haben, hier einen geeigneten Vertreter zu bestimmen – aber zumindest für die Zeit nach der Gläubigerversammlung stand ja zumindest ein potentieller Vertreter bereit. Die Nichtaufnahme dieser Gläubigergruppe in den Gläubigerausschuss ist eines von einigen „Geschmäckle“ bei der Sache. Die Presse mutmaßt deswegen nicht ganz zu Unrecht, dass die bisherigen – häufig staatlicherseits geführten – bisherigen Gläubigervertreter unter sich bleiben wollen. Vor diesem Hintergrund erscheint es dann nicht unschlüssig, durch verfahrenstechnische Maßnahmen mögliche „Akkordstörer“ von vornherein vom Entscheidungsprozess auszuschließen.
Massekredit
Wenn man etwas paranoid veranlagt ist, könnte man unterstellen, dass der Massekredit von Euro 150 Mio. auch deswegen vergeben wurde, um die politische Einflussnahme auf das Verfahren zu ermöglichen. Denn – getreu dem Motto „wes brot ich ess dess lied ich sing“ – mit der Vergabe des Massekredits hat die Politik (zu den handelnden Personen, s. hier für die Darstellung der Süddeutschen) sich natürlich an die Pole Position der potentiellen Einflussnahme gesetzt. Dies wird ja auch an der Stellung der KfW im Gläubigerausschuss deutlich.
Ich will hier nicht die Frage diskutieren, ob ein Massegläubiger (also jemand, dessen Forderung erst nach der Insolvenzeröffnung begründet und vorrangig vor den Insolvenzgläubigern befriedigt wird) überhaupt im Gläubigerausschuss sitzen kann, auch will ich mich nicht vertieft mit Fragen der demokratische Legitimation einer solchen Darlehensvergabe auseinandersetzen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in jedem anderen Fall schon vor der Vorlage an den Kreditausschuss der betreffenden Bank an den internen Prüfungen an Hand der sog. „MA Risk“ gescheitert wären. Alle diese Punkte wären mit Sicherheit diskussionswürdig.
Aber: Im Endeffekt hat die Politik sich mit dieser Darlehensvergabe entscheidenden Einfluss auf den weiteren Verfahrensgang gesichert – und, wie man bereits an den Äußerungen von Herrn Dobrindt und Frau Zypries („Champion“) sehen kann – auch genutzt. Damit aber stellt sich die Frage, ob hier von allen Beteiligten – Insolvenzgericht, Eigenverwalter & Sachwalter und Gläubigerausschuss (dessen Mitglieder gemäß § 71 InsO auch durchaus einem eigenen Haftungsrisiko unterliegen) – das Hauptziel der Insolvenzordnung nach § 1 InsO, nämlich die bestmögliche Gläubigerbefriedigung, im Auge behalten wurde.
Zuschlag
Angesichts der schon bei Verfahrenseinleitung zu beobachtenden Steuerung könnte man den Zuschlag an die Lufthansa durchaus auch als „gesteuert“ bezeichnen, wenn man den Beteiligten böses unterstellen will. Schaut man sich allerdings die Gebote der unterlegenen Bieter an, dann erscheint zumindest das von Herrn Wöhrl als gegenüber der Lufthansa nicht so werthaltig.
Aber: Wenn man schon in der Presse im Zuge des Bieterprozesses über die „Schlagseite“ zugunsten der Lufthansa spekuliert, dann werden das potentielle Bieter wohl erst recht tun – und im Zweifel bei der Erstellung des Angebotes auch nicht alles geben. Zumal man auf Grund der personellen und flugtechnischen Verzahnungen zwischen Lufthansa und Air Berlin als Wettbewerber getrost von einem gewissen Wissensvorsprung der Lufthansa ausgehen konnte.
Die Frage ist, ob ein anderes Vorgehen zu anderen Ergebnissen geführt hätte. Angesichts der schon zu Beginn des Verfahrens eingeleiteten Schritte sind derartige Fragen aber nur noch hypothetisch.
Insolvenz Niki
Die Frage, was der vorläufige Insolvenzverwalter (oder der Gläubigerausschuss) von Air Berlin hätte anders machen können, um die Pleite von Niki zu verhindern, ist natürlich im Rückblick wohlfeil. Zumindest könnte man angesichts des sofortigen Rückzuges der Lufthansa von diesem Teil des „Deals“ bereits angesichts der Äußerung von „Bedenken“ seitens der EU-Wettbewerbshüter auch spekulieren, ob die Insolvenz und das sofortige Grounding von Niki nicht der Lufthansa hervorragend in die Karten gespielt hat – Niki ausgeschaltet und kein Wettbewerber gestärkt. Natürlich reine Spekulation, aber so fernliegend auch nicht. Als Alternative standen ja schon im ersten Bieterverfahren IAG und Niki Lauda (mit Thomas Cook) bereit. Und so fernliegend dürfte es für die Berater nicht gewesen sein, etwaige Bedenken der europäischen Wettbewerbshüter im Rahmen der Verfahrensplanung zu erahnen – und dementsprechend Niki von vorneherein aus dem Deal mit der Lufthansa auszuklammern.
Die auf den plötzlichen Rückzug der Lufthansa folgende Insolvenz dürfte relativ ungeplant und – möglicherweise wegen der Insolvenzgeldansprüche? – auch gezielt auf Deutschland gerichtet gewesen sein. Die genaue Abfolge der Verfahren und ob die Einleitung tatsächlich „sauber“ abgelaufen ist, dürfte, wenn nicht doch noch Schadenersatzansprüche zwischen den „Insolvenzmassen“ in Österreich und Deutschland aufflackern, eher Stoff für etliche Promotionen oder Habilitationen bieten.
Aber: Die die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) durchziehende „rote Linie“, dass es eben kein sog. „Forum Shopping“, also die Suche nach dem für einzelne günstigsten (Insolvenz-) Gerichtsstand, geben soll, ist durch diesen Entscheidungswirrwarr wieder mal ad absurdum geführt worden. Auch hier stellt sich die Frage, ob man sich angesichts der politischen Einflussnahme zu sicher fühlte oder schlicht in der taktischen Planung die Möglichkeit eines (feindlichen) Fremdantrages übersah.
Haftung Etihad
Ausgehend von den Schilderungen zum sog. „Comfort Letter“ – gerade im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss der Air Berlin – gehe ich davon aus, dass Klagen auf Schadenersatz (wegen der Verletzung der mit dem Comfort Letter einhergehenden finanziellen Ausstattungsverpflichtung) durchaus gute Aussicht auf Erfolg haben – grundsätzlich (s. auch hier). Aber „grundsätzlich“ bedeutet bei Juristen immer auch, dass noch viele Fragen offen sind. Im Endergebnis wird die der Masse zukommende Zahlung von der genauen Formulierung des Comfort Letter, dem davon abgedeckten Schaden und nicht zuletzt von dem Ort abhängen, an dem die Klage anhängig gemacht werden muss – und es wird Jahre dauern, bis der Anspruch geklärt ist. Andererseits erscheint es unwahrscheinlich, dass Etihad gänzlich ungeschoren davon kommen wird.
Fazit
Die Reihe der bemerkenswerten Details ist damit natürlich nicht abgeschlossen. An dieser Stelle soll es aber (erst mal) gut sein. Die Air Berlin Insolvenz dürfte auch in Zukunft noch für einige Merk-würdigkeiten sorgen. Vielleicht können dann die hier (implizit) aufgeworfenen Fragen geklärt werden – insbesondere auch über die Legitimation staatlicher Eingriffe in Insolvenzverfahren, die möglicherweise das Hauptziel des Insolvenzverfahrens, die gleichmäßige und möglichst hohe Befriedigung der Insolvenzläubiger, unterminieren. Über den Fall hinaus stellt sich ferner die Frage nach dem Sinn und Erfolg der zahllosen – auch von staatlicher Seite getriebenen – Reformen des Insolvenzrechts in den letzten Jahrzehnten: Kurz, hätte man diesen Verfahrensausgang nicht auch unter der Konkursordnung erreichen können? Wenn ja, dann haben die ganzen Reformen wenig bewegt, am Wenigsten wohl beim Denken der Politiker, die bei (angeblich oder tatsächlich) „besonderen“ Verfahren ihre eigenen Reformen ad absurdum führen – Philipp Holzmann und Kanzler Schröder lassen grüßen. Die Ironie der Geschichte ist, dass eine der Protagonistinnen der Reformen, die damalige Justizministerin Frau Zypries, nun als Wirtschaftsministerin scheinbar maßgeblich an der Vergabe des Massekredits beteiligt war.