Relativ unbemerkt von der allgemeinen Öffentlichkeit, aber auch von Fachleuten wenig zur Kenntnis genommen, hat das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW) im Mai 2018 den überarbeiteten „IDW Standard: Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW S 6) veröffentlicht. Nachfolgend wird kurz beleuchtet, warum das so ist und warum die Auseinandersetzung mit dem neuen Standard gleichwohl sinnvoll ist.
Zum einen unterscheidet sich der „neue“ nicht so sehr vom „alten“ aus dem Jahre 2012: Zwar wurden die nach Ansicht des IDW erforderlichen Ausführungen zu Krisenstadien und Maßnahmen zu deren Überwindung verkürzt bzw. gestrichen. Auch soll der „erforderlichen Eigenkapitalausstattung“ nach dem neuen Standard im Ausnahmefall auch sog. „wirtschaftliches Eigenkapital“, also solches genügen, das sich in einem Überschuldungsstatus ergibt, wenn mit einem qualifizierten Rangrücktritt belegene Forderungen nicht mehr zu einer insolvenzrechtlichen Überschuldung führen.
Zum anderen macht die Rechtsprechung (zuletzt in einem Urteil aus dem Jahre 2018, mit Verweis auf eine Grundsatzentscheidung aus 2016) immer wieder deutlich, dass ein Sanierungsplan „nicht bestimmten formalen Erfordernissen entsprechen muss, wie sie das Institut für Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. in dem IDW Standard S6 (IDWS6) oder das Institut für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen (ISU) als Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte aufgestellt haben.“
Vielmehr sind nach der Rechtsprechung die fachkundige Analyse „der Verluste und der Möglichkeit deren künftiger Vermeidung, eine Beurteilung der Erfolgsaussichten und der Rentabilität des Unternehmens in der Zukunft und Maßnahmen zur Vermeidung oder Beseitigung der (drohenden) Insolvenzreife erforderlich. Bei einem Sanierungsvergleich müssen zumindest die Art und Höhe der Verbindlichkeiten, die Art und Zahl der Gläubiger und die zur Sanierung erforderliche Quote des Erlasses der Forderungen festgestellt werden. Da eine Zustimmung aller Gläubiger regelmäßig nicht zu erreichen ist, muss eine Zustimmungsquote nach Schuldenstand festgelegt werden, gegebenenfalls für unterschiedliche Arten von Gläubigergruppen, sowie die Behandlung nicht verzichtender Gläubiger. Gegebenenfalls sind Art und Höhe einzuwerbenden frischen Kapitals darzustellen sowie die Chance, dieses tatsächlich zu gewinnen.“
Diese eher kursorischen Ausführungen der Rechtsprechung lassen natürlich Raum für Interpretation – den der IDW Standard zu füllen versucht. So könnten die Ausführungen zum wirtschaftlichen Eigenkapital oder zur „branchenüblichen Rendite“ durchaus helfen, Grenzfälle der Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit zu entscheiden. Wichtiger als der Standard bleibt aber die Lektüre der evolvierenden Rechtsprechung.
IDW S 6 v. 16.05.2018 (Podcast des IDW)
BGH, Urt. v. 14.06.2018 – IX ZR 22/15
BGH, Urt. v. 12.05.2016 – IX ZR 65/14 (s. dazu Kommentierung hier)