Das an interessanten Wendungen schon nicht arme Insolvenzverfahren über den Solar-Anbieter Solon S.E. hat mit der Entscheidung des OLG Frankfurt/Main aus dem März 2019 möglicherweise eine für Sanierungsberater wegweisende weitere Wendung gefunden.
In dem Fall hatte die Geschäftsleitung der späteren Insolvenzschuldnerin Solon SE den Beklagte, der für sich damit wirbt, die „Nr. 1 unter den weltweit tätigen Restrukturierungsberatern“ zu sein, damit beauftragt, sie bei der „finanziellen Reorganisation“ zu beraten. Dabei war die schriftliche Beauftragung sehr eng gefasst und enthielt eine (nach Ansicht des Gerichts) abschließende Aufzählung von vierzehn Einzelaufgaben. Allerdings betraf keine einzige dieser Einzelaufgaben eine Prüfungs- oder Hinweispflicht in Bezug auf eine etwaig bestehende Insolvenzreife der Solon SE.
Nachdem die Solon SE in die Insolvenz gefallen war, nahm der Insolvenzverwalter den Sanierungsberater auf Schadenersatz in Anspruch – nunmehr bis zur Berufungsinstanz erfolglos. In einer sehr dezidierten Begründung erläutert der Berufungssenat, dass zum einen die im Vertrag an prominenter Stelle enthaltenen genauen Beschreibungen der auszuführenden Tätigkeiten als abschließend zu werten sei, weil eben gerade keine der üblichen „Öffnungsklauseln“ verwandt worden seien. Auch könne der Sanierungsberater, da er weder Steuerberater noch Rechtsanwalt sei, die Steuer- und Rechtsberatung wirksam ausschließen. Damit sei er auch nicht aus einer „vertraglichen Nebenpflicht“ oder auf Grund einer mündlichen Nebenabrede heraus verpflichtet gewesen, auf eine etwaig bestehende Insolvenzreife hinzuweisen. Eine ergänzende Vertragsauslegung komme wegen des Fehlens einer Regelungslücke ebenfalls nicht in Betracht.
Festzuhalten bleibt damit, dass nach Ansicht des OLG Frankfurt/Main ein Sanierungsberater nicht zum Hinweis auf die Insolvenzreife der Schuldnerin verpflichtet ist, sofern er mit konkreten, abschließend aufgelisteten Leistungspflichten unter Ausschluss steuerlicher und rechtlicher Angelegenheiten beauftragt wurde.
Das Urteil war zumindest bei Veröffentlichung noch nicht rechtskräftig. Man darf gespannt sein, ob der Insolvenzverwalter Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat (die Revision war nicht zugelassen worden) und ob der BGH sich der Sache annimmt. Diese für als Sanierungsberater tätige Unternehmensberater erfreuliche Rechtsprechung ist aber unabhängig vom weiteren Verfahrensverlauf nicht auf Steuerberater und im Zweifel auch nicht auf Rechtsanwälte anwendbar. Denn der BGH hatte ja bereits Anfang 2017 entschieden, dass den Steuerberater – unabhängig von den Mandatierungsbedingungen – eine Hinweispflicht bezüglich einer etwaig bestehender Insolvenzreife trifft (hier).