Der Coronavirus ist das nunmehr alles beherrschende Thema und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind nicht absehbar. In dieser beispiellosen Krise ist es für Geschäftsleiter und Manager wichtig, kühlen Kopf zu behalten und angemessene Maßnahmen zur Sicherstellung der Gesundheit der Mitarbeiter und zum Fortbestand des Unternehmens zu ergreifen.
Aus aktuellem Anlass (und im Nachgang zu ersten Überlegungen zu dieser Thematik („Krisenmanagement – wenn es mal heißer wird!“ hier) deswegen nachfolgend erste praktische Hilfestellungen für Geschäftsleiter und Unternehmer (für Hilfen zum Thema Liquidität & Insolvenzvermeidung, s. hier):
1. Den Überblick behalten – ständige Lagebeurteilung
Meldungen zum Coronavirus, dem der Umgang damit und seinen Auswirkungen auf Mensch und Wirtschaft füllen aktuell die (sozialen) Medien bis zum Anschlag. Aber „Meldung“ ist nicht gleich zu setzen mit „Information“ oder gar „Erkenntnissen“, die als Richtschnur für das weitere Handeln dienen können.
Angesichts der aktuellen „Informations-Pandemie“ ist das Herausfiltern wirklich wichtiger Information aus dem Dauerrauschen der (sozialen) Medien noch wichtiger als sonst. Denn die Situation entwickelt sich dynamisch und es kann nur beschränkt auf Vorerfahrungen zurückgegriffen werden. Das Beispiel eines Rechenfehlers am Robert-Koch-Institut am Freitag letzter Woche (s. näher hier) verdeutlicht zudem, dass auch offizielle Informationen bei dieser dynamischen Lageentwicklung nicht ungeprüft übernommen werden können.
Deshalb ist es wichtig, dass die Geschäftsleitung im Unternehmen eine eigene Fähigkeit zur Analyse der Datenflut etabliert. Lassen Sie die aktuellen Entwicklung beobachten und zwar nicht nur einmal am Tag, sondern zumindest zwei-, drei Mal, lassen Sie die Erkenntnisse – als Lagebeurteilung – aufschreiben und teilen Sie diese mit den Mitarbeitern. Nutzen Sie auch „private Nachrichtendienste“, wie z.B. bei Control Risks – die bieten auch kurze Webinare an (hier). Über legonomics.de bereite ich ebenfalls kontinuierlich Informationen auf, die Sie nutzen können. Und: bauen Sie Ihre Analysen auf bereits „durchexerzierten“ Szenarien auf: So hat die Bundesregierung beispielsweise in einem „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“ unter der Bezeichnung „Modi-Sars“ eine ähnliche Pandemie durchgespielt, wie sie sich derzeit abzeichnet (zu weiteren Szenarien, s. hier).
Und: Machen Sie das nicht nur einmal – dies ist ab jetzt bis zum Ende der Krise Daueraufgabe! Jeden Tag aufs Neue!
2. Aufrechterhaltung der betrieblichen Abläufe
„Business Continuity Management“ / „Betriebliches Kontinuitätsmangement“ ist hier das Stichwort. Wenn Sie das bis jetzt noch nicht gehört haben – dann sollten Sie JETZT anfangen, sich in diese Thematik einzuarbeiten. Denn auch wenn in Ihrem Unternehmen im Verlauf der Pandemie die Produktion stillgelegt werden sollte, so müssen zentrale Bereiche des Unternehmensbetriebes aufrechterhalten werden, schon, um das „Hochfahren“ nach Abflauen der Pandemie sicher zu stellen.
a) Bilden Sie einen Krisenstab
Wenn Sie es jetzt noch nicht getan haben, dann sollten Sie spätestens jetzt einen Krisenstab bilden, der alle wesentlichen Geschäftsbereiche / Abteilungen des Unternehmens abbilden, aber auch als Schnittstelle zu externen Unterstützern dienen sollte. Um so mehr als sonst, gilt bei der personellen Besetzung das Prinzip der Redundanz, d.h., alle Positionen sind zumindest doppelt zu besetzen (s. auch sogleich zu „split business“). Und: der Geschäftsleiter ist NICHT der Leiter des Krisenstabes, diese Funktion ist durch einen erfahrenen und anerkannten (leitenden) Mitarbeiter des Unternehmens auszuüben – und auch hier sollte mindestens ein Stellvertreter bestimmt werden.
b) Bereiten Sie „Home Office“ und „Split Business“ vor
Richten Sie schnellstmöglich für Ihre Mitarbeiter die Möglichkeit ein, möglichst bruchlos von zu Hause aus zu arbeiten. Niemand kann derzeit seriös abschätzen, wie sich die Krise weiter entwickeln wird. Deswegen kann auch niemand z.B. die behördliche Anordnung von Ausgangssperren ausschließen. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass im Verlauf der Pandemie sich einzelne Mitarbeiter in Quarantäne begeben müssen, ohne selbst zu erkranken.
Wenn Sie Funktionen in Ihrem Unternehmen mehrfach besetzt haben, dann teilen Sie das Personal auf und lassen Sie, soweit und solange das möglich ist, dieses Personal bis zum Abflauen der Pandemie (!) nicht mehr zusammen in einem Raum arbeiten. Vielmehr sollte die eine Hälfte des Personals (z.B. auch ein zweiter Geschäftsführer!) periodisch zu Hause arbeiten, während die andere Hälfte noch im Unternehmen arbeitet. Man kann das auch wechselweise gestalten, allerdings sollte man dann darauf achten, dass keine „Player“ des „Team A“ mit denen des „Team B“ zusammentrifft….
c) Sichern Sie die IT Ihres Unternehmens
Jetzt ist Hochzeit für Cyberkriminelle (s. nur hier). Dies auch, weil es natürlich (s. oben b) viel häufiger zu Tätigkeiten außerhalb des Büros kommen wird – wodurch sich eine potentielle Einbruchstelle für Hacker auftut. Wenn Sie also Laptops an Ihre Mitarbeiter für die Tätigkeit im Home Office herausgeben, dann sollten Sie die USB-Schnittstellen und ähnliche externe Zugänge zum Gerät blockieren – und statt dessen einen Remote-Zugang zu (abgeschlossenen) Teilen des Firmennetzwerks erlauben.
d) Prüfen und Sichern Sie Ihre Lieferketten
Die Aufregung um das „Single Sourcing“ wichtiger Arzneien und Schutzbekleidung aus China (s. nur hier) sollte Grund genug sein, bereits kurzfristig die „Supply Chain“ des Unternehmens zu prüfen. Dabei sollte jegliches „Single-Sourcing“ von Vorprodukten eine rote Lampe sein, unabhängig davon ob es jetzt gerade China ist oder vielleicht auch nur ein anderes Bundesland. Versuchen Sie, alternative Lieferketten aufzubauen. Es ist durchaus möglich, dass ein anderer Lieferant selber nicht an „seinen“ Kunden liefern kann, etwa, weil die Lieferung auf Grund von Grenzschließungen nicht möglich ist. Vielleicht können Sie ihm dann die Lieferung abnehmen?
3. Kommunizieren Sie – und das ist keine Einbahnstraße!
Jetzt ist wieder die Hochzeit für Kommunikationsberater – die man im Zweifel auch braucht, aber der gute Menschenverstand bringt einen auch schon ein ganzes Stück weiter. „Man kann nicht nicht kommunizieren“ lautet eines der Mantren der Branche – zu Recht. Wenn Frau Bundeskanzlerin wochenlang zur Pandemie schweigt, ist das genauso „beredt“ (s. hier), wie Ihr Schweigen als „Chef“ in dieser Situation. Ein gutes Beispiel, wie man im konkreten Fall auch durch professionelle Kommunikation zur Lösung der Krise beitragen kann, liefert die „Firma Null“ des Corona-Ausbruchs, Webasto (hier). Demnach kommt es auf einen stetigen Fluss von Presse- und Mitarbeiterinformationen an, der der Verunsicherung der Mitarbeiter Rechnung trägt. Kommunizieren Sie (so Ihr Unternehmen über einen verfügt) auch verstärkt mit Ihrem Betriebsrat. Die Themen – Kurzarbeit, Heimarbeitsplatz, etc. – werden Ihnen nicht ausgehen.
Hören Sie zu. Ihre Mitarbeiter sind nicht „Nürnberger Trichter“, sondern selbstständig denkende und handelnde Menschen. Diese Mitarbeiter haben ihre eigenen Ideen und Ansätze, aber auch Sorgen und Nöte. Diese sollten sie einbringen und teilen können – vielleicht tragen sie nicht unerheblich zur Lösung von Problemen bei.
4. Rechtsstreitigkeiten – bloß nicht!
Klingt vielleicht etwas komisch aus dem Munde eines Rechtsanwaltes, aber wenn es einen schlechten Zeitpunkt für die Einleitung von Rechtsstreitigkeiten gibt, dann jetzt: Die Gerichte in Deutschland sind sowieso chronisch überlastet, durch die Massenverfahren in Sachen „Dieselgate“ noch mehr, als sonst. Dazu kommt, die chronische Schlecht-Ausstattung der Justiz, die sich beim Berliner Kammergericht gerade in einem totalen Aussetzer nach „erfolgreichem“ Cyber-Angriff gezeigt hat (s. dazu auch hier). Dementsprechend verlängert sich die Dauer einzelner Verfahren seit Jahren nicht unwesentlich. Ein Zeitablauf bei nicht ganz einfach gelagerten Sachverhalten von bis zu einem dreiviertel Jahr zwischen Einreichung der Klage und erstinstanzlichem Urteil sollte schon Warnung genug sein. Zieht man das Verfahren über (drei) Instanzen durch, vergehen bis zu einem rechtskräftigen Entscheid leicht drei Jahre. Schon deswegen gilt – unabhängig von Rechtsfragen – erneut „Recht haben und Recht bekommen, sind zweierlei“.
Nicht umsonst wird die Coronavirus-Pandemie häufig auch als „nie dagewesenes Ereignis“ beschrieben. Und tatsächlich dürfte eine Pandemie, die zum „Shut-down“ gesamter Volkswirtschaften führen könnte, auch aus rechtlicher Sicht noch ein „unbeschriebenes Blatt“ sein. Zwar bemühen streitlustige Anwälte derzeit gerne rechtliche Konstruktionen, wie „Force Majeure“, „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ oder ähnliches. Schon auf Grund der sich dynamisch entwickelnden Situation ist aber wahrscheinlich, dass die Rechtsprechung neue Wege im Angesicht dieser Krise gehen wird. Und Sie wollen nicht Gegenstand dieser potentiellen neuen Rechtsfiguren werden, sondern der Nutznießer.
Also heißt es, wenn nicht dringend irgendwelche (Verjährungs-) Fristen gewahrt werden müssen, ihrem Hausjuristen die Aufgabe auf den Weg zu geben, die potentiellen Rechtsstreitigkeiten zu erfassen und die rechtliche Entwicklung zu überwachen.
5. Zu guter Letzt
Hoffen Sie nicht auf die Regierung! Nicht umsonst heißt ein altes Sprichwort „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!“ Wenn Sie nicht gerade der Vorstandsvorsitzende eines DAX-Konzerns oder einer nicht ganz kleinen Bank sind, wird Ihnen die Bundesregierung sowieso kein Ohr schenken (können). Und auch wenn die Bundesregierung nach eigenen Worten jetzt „die Waffen auf den Tisch gelegt hat“ (hier), muss das nicht bedeuten, dass die passende „Waffe“ für Sie und Ihr Unternehmen dabei ist. Schon gar nicht nimmt Ihnen jemand die Lagebeurteilung ab.
Vernetzen Sie sich – auch auf Distanz! Halten Sie per Skype oder anderen Medien unmittelbaren Kontakt zu Ihren Mitarbeitern (und Ihren Angehörigen).
Teilen Sie Ihre Erfahrungen! Schreiben Sie einen Blog, veröffentlichen Sie wichtige Informationen auf der Homepage Ihres Unternehmens.
Schlafen Sie! Die Krise wird nicht Morgen vorbei sein.
Hamstern bringt nix, aber nicht-Hamstern ist auch keine Lösung!
Keep calm & carry on!
BReg, „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“, BReg, Drs. 17/12051
BKK, „Handbuch Betriebliche Pandemieplanung“
BMI, „Leitfaden Krisenkommunikation“
Götte, „Fallstudien zum Krisenmanagement“
Literaturhinweise (Springer): „Wie Krisenstäbe vor Krisen schützen“