Soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht (z. B. die Einziehung der Anteile), ist der Entzug der Gesellschafterstellung grundsätzlich nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters möglich. Gerade in Krisensituationen könnte ein Gesellschafter damit ein Blockadepotential entwickeln, um entweder eine Sanierung zu verhindern oder an ihr ohne eigenes Risiko zu partizipieren. Mit einer differenzierten Rechtsprechung hat der BGH über die Jahre diese Blockade-Möglichkeiten aber substantiell eingeschränkt. Die Kenntnis dieser Beschränkungen kann bei Sanierungen – gerade in der aktuellen Corona-Krise – sehr nützlich sein, weswegen sie in einem Überblick kurz vorgestellt werden sollen.
Zunächst hatte der BGH hat in einem Urteil aus dem Jahre 2009 (im Nachgang zur sog. „Girmes“-Entscheidung) in Bezug auf Kapitalgesellschaften entschieden, dass sich Gesellschafter treupflichtwidrig verhalten, wenn sie zwar an etwaigen Sanierungspflichten nicht teilnehmen, aber in der Gesellschaft verbleiben wollen. Ein Gesellschafter ist zwar im Allgemeinen nicht verpflichtet, einer Änderung des Gesellschaftsvertrages zum Zwecke der Sanierung (hier: sog. „Kapitalschnitt“) zuzustimmen. In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann sich nach Ansicht des BGH jedoch für jeden einzelnen Gesellschafter aus der gesellschafterlichen Treuepflicht etwas Abweichendes ergeben. Eine Zustimmungspflicht kommt aber nur dann in Betracht, wenn sie mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis oder auf die bestehenden Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander dringend erforderlich ist und die Änderung des Gesellschaftsvertrages dem Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen Belange zumutbar ist. Die Verpflichtung eines einzelnen Gesellschafters, einer notwendig gewordenen Änderung des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen, kann daher nur angenommen werden, wenn dem schützenswerte Belange des einzelnen Gesellschafters nicht entgegenstehen. Ergibt z.B. eine (wirtschaftliche) Abwägung der Folgen der geplanten Sanierungsmaßnahme, dass es den risikobereiten“ Gesellschaftern (die bereit wären, noch Kapital in die Gesellschaft einzuschießen) nicht zumutbar ist, die Gesellschaft mit den nicht zur Investition weiteren Kapitals bereiten Gesellschaftern („Blockierer“) fortzusetzen, so kann das Ausscheiden dieser Blockierer erzwungen werden.
Diese Rechtsprechung hat der BGH im Jahre 2011 im Hinblick auf Personengesellschaften wie folgt eingeschränkt: Regelt der Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft, dass eine Kapitalerhöhung auch im Krisenfall nur einstimmig beschlossen werden kann und das Nichterreichen der Einstimmigkeit zur Folge hat, dass die zustimmenden Gesellschafter berechtigt sind, ihre Einlagen zu erhöhen, während die nicht zustimmenden Gesellschafter eine Verringerung ihres Beteiligungsverhältnisses hinzunehmen haben, so sind die zahlungsunwilligen Gesellschafter nicht aus gesellschaftlicher Treuepflicht verpflichtet, einem Beschluss zuzustimmen, dass ein nicht sanierungswilliger Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet. Dieser Entscheidung lag allerdings die Sonderkonstellation zu Grunde, dass der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich Regelungen bei einer Schieflage der Gesellschaft traf.
Zwar hatte der BGH (Rz. 29) unter ausdrücklichem Verweis auf die die Grundform aller Kapitalgesellschaften betreffenden Regelung des § 707 BGB ebenfalls eine Zustimmungspflicht der Blockierer abgelehnt, was zunächst gegen die Annahme einer generellen entsprechenden Treuepflicht bei Personengesellschaften sprach. In einer Entscheidung aus dem Jahre 2015 dann hat der BGH aber diesbezüglich entschieden, dass der Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft zwar für eine Zustimmungspflicht des Gesellschafters zu seinem Ausscheiden aus gesellschafterlicher Treuepflicht in besonders gelagerten Ausnahmefällen keine ausdrückliche Regelung enthalten müsse, weil diese Treuepflicht jedem Gesellschaftsverhältnis ohne ausdrückliche Regelung immanent sei. Ein Gesellschaftsvertrag kann allerdings diese Treuepflicht ausdrücklich oder im Wege der Auslegung konkretisierende Regelungen enthalten, die insbesondere die aus der Treuepflicht folgende Zustimmungspflicht für bestimmte Sachverhalte einschränken oder an weitere Voraussetzungen knüpfen.
Zusammenfassend kann man damit festhalten, dass ein Gesellschafter (unabhängig von der konkreten Rechtsform) – so keine ausdrückliche (anderweitige) Regelung im Gesellschaftsvertrag erfolgt – im Rahmen seiner Treuepflichten -verpflichtet ist, sich an erforderlichen Sanierungsmaßnahmen für die Gesellschaft ggf. auch finanziell zu beteiligen oder sein Ausscheiden zu akzeptieren.
BGH, Urt. v. 9.6.2015 – II ZR 420/13 („Sanieren oder Ausscheiden III“)
BGH, Urt. v. 25.01.2011 – II ZR 122/09 („Sanieren oder Ausscheiden II“)
BGH, Urt. v. 19.10.2009 – II ZR 240/08 („Sanieren oder Ausscheiden I“)
BGH, Urt. v. 20.03.1995 – II ZR 205/94 („Girmes“)