Der deutsche Gesetzgeber hat sich am 17. Dezember 2020 in einen regelrechten Rausch „verabschiedet“:
Nicht nur, dass er die lang erwartete Verkürzung der Restschuldbefreiungsfrist von regelmäßig sechs Jahren auf drei Jahre beschlossen hat (vgl. bereits hier). Dieses Gesetz wird rückwirkend zum 1. Oktober 2020 in Kraft treten. Tausende von Schuldnern warten auf diesen Politikwechsel und werden Anfang Januar „ihre“ Privatinsolvenz anmelden – was sicherlich für eine Überlastung der Insolvenzgerichte sorgen und die Insolvenzverwalter mit neuen Fällen überfluten wird.
Auch hat der deutsche Gesetzgeber nicht nur die Aussetzung der Antragspflicht bei Überschuldung erneut unter bestimmten Umständen bis zum 31.01.2021 verlängert, sondern er hat diese Aussetzung auch noch einmal (!) auf den Insolvenzgrund der Illiquidität ausgedehnt – der erst zum 01.10.2020 wieder als zwingender Antragsgrund eingeführt worden war (vgl. zum „ersten“ COVInsAG hier und dessen „Verlängerung“ hier). Diese Fristverlängerung ist nicht nur notwendig geworden, um den Praktikern etwas Zeit zu geben, sich mit dem neuen „StaRUG“ vertraut zu machen (vgl. unten), sondern auch, weil die verschiedenen Finanzpakete, die zur Abfederung des zweiten „Lock-downs“ in Deutschland geschnürt wurden, aufgrund von IT-Problemen und Arbeitsüberlastung nicht zeitnah ausgezahlt werden konnten. Um die Unternehmen zu schonen, wurde daher die Antragspfliht zumindest für diese Fälle wieder ganz ausgesetzt. Und mal sehen, ob diese Aussetzung wirklich im Januar 2021 endet (meine faire Vermutung ist, dass sie erst zwei bis drei Monate nach der Sperrung, also im Frühsommer, endet, wenn überhaupt).
Last, but not least hat der deutsche Gesetzgeber das StaRUG (die deutsche Umsetzung der EU-Verordnung zum „Präventiven Restrukturierungsrahmen“) verabschiedet, wenn auch mit einigen entscheidenden Änderungen gegenüber früheren Gesetzentwürfen (vgl. zu früheren Diskussionen hier, hier und hier). Die wichtigste Änderung ist zweifellos die Streichung der in früheren Entwürfen vorgesehenen Möglichkeit, bestimmte Verträge innerhalb des Restrukturierungsverfahrens zu kündigen. Die Streichung dieses Teils des StaRUG wurde vom Bundesrat durchgesetzt. Mit dem Fehlen dieses Teils wird das neue Gesetz nach erster Einschätzung führender Experten wohl nicht viel mehr als ein mehr oder minder geeignetes Instrument zur Restrukturierung finanzieller Verpflichtungen sein. Es wird aber nicht wirklich helfen, Unternehmen (operativ) zu sanieren.
Zu den gleichwohl „revolutionären“ Änderungen des deutschen Insolvenzrechts und ihren Folgen werde ich mit Beginn des neuen Jahres noch ausführlicher Stellung nehmen. Es bleibt abzuwarten, ob die jetzt beschlossenen Änderungen tatsächlich auf die zu erwartende Welle von notleidenden Unternehmen nach der Corona-Pandemie vorbereiten.
Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, et. al., BRat-Drs.: 761/20
Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG, BRat-Drs.: 762/20