BGH: Gläubiger müssen Sanierungskonzept überprüfen

Mit einem im Mai 2016 veröffentlichten Urteil hat der BGH die Anforderungen, die Gläubiger erfüllen müssen, um die sog. Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO abzuwehren, erneut verschärft.

Der Insolvenzverwalter ist nach dieser Norm berechtigt, eine Rechtshandlung des Schuldners bis zu zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag anzufechten, wenn er nachweist, dass der Schuldner diese mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat und der Gläubiger den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

Gerade in den letzten Jahren hat der BGH die Anforderungen an die Vorsatzanfechtung soweit herabgesetzt, dass bereits die Nichtzahlung einer Rechnung den Rückschluss auf die oben genannten Tatbestandsmerkmale begründen kann (teilweise wird von einer „Kettenvermutungsregel“ gesprochen). Der BGH lässt allerdings bezüglich dieser Indizienkette dann einen Entlastungsbeweis zu, wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuches ist.

Zum einen muss dafür ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen, das zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt war und die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt.

Dabei stellt der BGH – wie zuvor schon zahlreiche Untergerichte – in der Entscheidung ausdrücklich klar, dass das Sanierungskonzept nicht bestimmten Formerfordernissen, wie sie etwa das Institut für Wirtschaftsprüfer mit dem IDW S6 aufgestellt hat, folgen muss. Die Einhaltung der dort postulierten Erfordernisse ist zwar ausreichend, aber nicht zwingend geboten und gerade bei kleineren Unternehmen nicht immer in vollem Umfang geboten. Erforderlich ist aber immer eine Analyse der operativen Situation einschließlich der Krisenursachen, eine Beurteilung der Erfolgsaussichten der Sanierungsmaßnahmen und der zukünftigen Rentabilität des Unternehmens an Hand einer integrierten Finanzplanung. Ferner sind Art und Höhe der Verbindlichkeiten und deren Regulierung durch den angestrebten Sanierungsvergleich darzustellen.

Zum anderen muss nunmehr der sich auf den Entlastungsbeweis berufende Gläubiger nachweisen, dass er von einem schlüssigen Sanierungskonzept des Schuldners ausgehen durfte. Der bloße Abschluss eines Sanierungsvergleichs mit einer Quotenzahlung reicht dafür nicht aus. Vielmehr kann der Gläubiger nur dann von einem schlüssigen Sanierungskonzept des Schuldners ausgehen, wenn er in Grundzügen über die wesentlichen Grundlagen des Konzepts informiert wurde. Dabei ist der Gläubiger nicht verpflichtet, das Sanierungskonzept des Schuldners fachmännisch zu prüfen; vielmehr darf er sich auf die Angaben des Schuldners verlassen – solange er keine gegenteiligen Anhaltspunkte hat.

Zukünftig werden sich Gläubiger noch mehr mit den Hintergründen einer Ratenzahlungsvereinbarung beschäftigen müssen, wenn sie eine spätere Anfechtung vermeiden wollen.

Möglicherweise liefert das Urteil aber in einem anderen Punkt auch eine Erleichterung: Es enthält nämlich auch erste Anhaltspunkte dafür, dass der BGH seine Rechtsprechung zur sog. „Akkordstörer“-Problematik relativieren könnte. Bislang ging der BGH auf Grund fehlender gesetzlicher Grundlage davon aus, dass für die Wirksamkeit eines Sanierungsvergleiches grundsätzlich alle Gläubiger zustimmen müssten. Umgekehrt bedeutet dies bislang, dass ein einzelner Gläubiger den Sanierungsvergleich (=Akkord) mit seinem Einspruch verhindern kann. Ziel dieses Verhalten ist zumeist, sich als einzelner Gläubiger von der Gläubigergemeinschaft „herauskaufen“ zu lassen. Nunmehr stellt der BGH klar, dass „ein schlüssiges Sanierungskonzept nicht notwendigerweise eine Einbeziehung sämtlicher Gläubiger voraussetzt.“ (s. Tz. 16 des Urteils).

Insgesamt jedoch verschärft das Urteil die Anforderungen an die Anfechtungsfestigkeit von Zahlungen, die im Rahmen von Sanierungsvergleichen geleistet werden.

BGH, Urt. v. 12.05.2016 – IX ZR 65/14

 

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