Das StaRUG ist jetzt ein Drei-Viertel Jahr in Kraft (s. dazu hier). und mit Eterna absolviert gerade das erste große und prominente Unternehmen eine Restrukturierung nach diesem neuen Recht (s. dazu hier). Grund genug, sich einen Überblick über die ersten Entscheidungen unter dem StaRUG zu beschäftigen:
1. Das AG Köln kann sich mit seinem Beschluss vom 3. März 2021 (Az: 83 RES 1/21, hier) wohl mit dem Titel der „Erstentscheidung“ (zumindest der ersten veröffentlichten) schmücken, dessen Tenor wie folgt lautet:
1. Die Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG verlangt die vollständige richterliche Überzeugung, die im Rahmen der Amtsermittlung nach § 39 Abs. 1 S. 1 zu bilden ist. Der gemäß § 18 Abs. 2 InsO maßgebliche Prognosezeitraum von 24 Monaten wird ab dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung berechnet, also dem (ggf. voraussichtlichen) Erörterungs- und Abstimmungstermin.
2. Ein Konsortialkreditvertrag und eine Sanierungsvereinbarung können durch einen Restrukturierungsplan umfassend geändert werden. Eine Beschränkung auf die für die Erreichung des Restrukturierungsziels zwingend erforderlichen Änderungen ist weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen.
2. Das AG Düsseldorf wurde mit geringem Abstand zweiter, mit Hinweisbeschluss vom 5. März 2021 (Az: 601 SAN 1/21, hier) entschied es zur Honorierung des Sanierungsmoderators nach § 94 StaRUG, dass „die Stundensätze des Sanierungsmoderators auf € 200,00 pro Stunde für diesen festgesetzt [werden]. Der Höchstbetrag des Honorars darf 4500,00 € nicht übersteigen.“
3. Viel Zeit ließ sich auch das AG Hamburg nicht, dass mit Beschluss vom 12 April 2021 (Az: 61a RES 1/21, hier) wohl den ersten Restrukturierungsplan bestätigte.
4. Das AG Dresden benötige immerhin bis zum 7. Juni 2021 für seinen ersten Beschluss zum StaRUG (Az: 574 RES 2/21, hier), dessen Tenor sich wie folgt liest:
1. Für die Beurteilung der Schlechterstellung eines Planbetroffenen ist das nächstbeste Alternativszenario maßgeblich, d.h., die Situation, in der sich der Gläubiger im Fall des Scheiterns des Plans wiederfinden würde. Eine Liquidation als bestes Alternativszenario darf nur dann unterstellt werden, wenn ein Verkauf des Unternehmens oder eine anderweitige Fortführung aussichtslos ist.
2. Die Weiterführung des Unternehmens bedeutet nicht zwangsläufig, dass dem Schuldner ein wirtschaftlicher Wert zugewendet wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn auch ein fremder Dritter bereit gewesen wäre, das Unternehmen an der Stelle des Schuldners fortzuführen. Wenn kein Dritter bereit ist, anstelle des Schuldners das Unternehmen zu den im Plan vorgesehenen Bedingungen fortzuführen, kann im Zweifel nicht angenommen werden, dass der Schuldner durch den Plan „einen wirtschaftlichen Wert erhält“.
5. Das LG Dresden benötigte zur Entscheidung über die Beschwerde gegen die vorgehend zitierte Entscheidung des AG Dresden dann auch nur bis zum 1. Juli 2021 (Az.: 5 T 363/21, leider nur bei Beck-online veröffentlicht); Die Verwerfung der Beschwerde kann man wie folgt zusammen fassen:
1. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG muss der Beschwerdeführer glaubhaft machen, dass er ohne den Plan wesentlich schlechter gestellt wird, als er mit dem Plan stünde.
2. Dieser Nachteil kann nicht durch eine Zahlung aus den Mitteln ausgeglichen werden, die nach dem gestaltenden Teil des Restrukturierungsplanes für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Planbetroffener seine Schlechterstellung nachweist.
Auch wenn die geringe Anzahl von bislang fünf öffentlich bekannt gewordenen Gerichtsentscheidungen vermeintlich einen schleppenden Start des StaRUG suggerieren mag, so sollte man nicht übersehen, dass im Zuge des allgemeinen Rückgangs der Unternehmensinsolvenzen (s. dazu nur hier) wohl auch die eine Restrukturierung nach StaRUG auslösenden Unternehmenskrisen zurückgegangen sind. Ferner ist das Verfahren grundsätzlich eher als „geheimes“ Verfahren ausgestaltet (arg. e contrario § 84 StaRUG) – öffentliche Entscheidungen sollten also eher die Ausnahme sein. Die Regelungen über eine öffentliche Bekanntmachung nach §§ 84 ff. StaRUG treten zudem erst am 17. Juli 2020 in Kraft (vgl. Art. 25 Abs. 2 Nr. 1 SanInsFoG). Die öffentliche Bekanntmachung kann aber gerade bei größeren Verfahren wichtig werden, z.B., wenn es um die Wirksamkeit von sog. Stabilisierunsanordnungen nach § 49 StaRUG geht, vgl. § 51 Abs. 4 StaRUG geht. Schon vor diesem Hintergrund dürfte die bislang relativ geringe Zahl von Entscheidungen erklärlich sein. Und nicht vergessen sollte man auch, dass der Insolvenzplan im Jahre 1999 auch noch nicht sehr häufig genutzt wurde, der Rest ist Geschichte.
Den wenigen Entscheidungen lässt sich auch noch kein Trend entnehmen, in welche Richtung die Rechtsprechung bei der Auslegung des StaRUG tendieren wird. Aber zwei bestätigte Restrukturierungspläne sprechen dafür, dass die Insolvenzgerichte (handelnd als Restrukturierungsgerichte) sich dem StaRUG nicht komplett verschließen werden. Und auch wenn die genannte Honorarbegrenzung für einen Sanierungsmoderator durch das AG Düsseldorf zunächst abschreckend wirkt (s. zum Sanierungsmoderator bei mir schon hier), so muss man diese wahrscheinlich in Relation zu der Größe des Verfahrens setzen. Schuldner in dem Verfahren war ein selbstständiger Immobilienbewerter mit Immobilienvermögen.