Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist laut Destatis im September 2021 zwar erneut, aber lediglich um -1,9% im Vergleich zum Vorjahreswert (insgesamt -14,5% in den ersten drei Quartalen des Jahres, hier) gesunken (gegenüber -2,1% im Vormonat, s. hier). Viel interessanter ist aber vor allem die Tatsache, dass die Zahl der Anträge auf Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens (zu denen auch die Unternehmensinsolvenzen zählen) im November 2021 um 43,8% gegenüber dem Vormonat gestiegen ist (Nachdem die Anträge im Vormonat noch um über 29% zurückgegangen waren). Die Frage ist, ob wir hier die oft und viel beschworene „Trendwende“ beobachten können oder ob es sich wieder um eine dieser statistischen Schwankungen handelt, die ich bereits für die Schwankungen in den vorherigen Monaten verantwortlich machte. Für eine Trendwende könnte sprechen, dass auch der IWH-Insolvenztrend eine leicht steigende Kurve der Unternehmensinsolvenzen sieht (hier, s. aber auch die sehr gute Einordnung durch die WiWo hier).
Die Lage bei den Insolvenzen von Privatpersonen stellt sich dagegen völlig anders dar. Die Zahl der Insolvenzanträge natürlicher Personen erreicht monatlich neue Höchststände – was sich immer noch aus dem „Antragsstau“ auf Grund der erst zum Jahreswechsel 2020/2021 wirksam werdenden Verkürzung der Restschulbefreiungsphase erklären dürfte (hier). Gleichzeitig nimmt in weit größerem Umfang die Zahl der überschuldeten Verbraucher in Deutschland ab – und sinkt auf ein Rekordniveau, wie Creditreform in seinem SchuldnerAtlas 2021 berichtet (hier).
Wie angesichts der Zahlen zu erwarten, gibt es auch nur wenig Fälle, die es in die Medien schaffen: So rettete sich mit Orsay ein weiterer Modefilialist in ein Schutzschirmverfahren (hier, hier und hier), was nicht aussichtslos sein muss, wie die Adler Modemärkte zeigen, die sich ein Jahr nach der Insolvenz wieder „berappelt“ zu haben scheinen (hier). Derweil haben auf Grund der hohen Steigerungen bei den Energiepreisen mittlerweile fünf deutsche Energieversorger die Segel gestrichen und Insolvenzanträge gestellt (hier und hier). In beiden Branchen dürfte das berühmt-berüchtigte „Ende der Fahnenstange“ damit noch nicht erreicht sein.
Bleibt zum Jahresende die übliche Frage, wie geht es 2022 weiter? Kommt die „große Welle“ doch noch? Nein, aber zumindest „mehr Insolvenzen“, meint zumindest die Gilde der Kommunikationsberater (hier), wie auch die der Versicherer (hier). Scheinbar werden Sanierungsberater bereits jetzt mehr angefragt, als in den letzten Jahren (hier) und auch die Zahl der Großinsolvenzen hat im dritten Quartal 2021 gegen den Branchentrend zugelegt (hier). Vor dem Hintergrund eines sich wohl verschlechternden Kreditzuganges für Unternehmen (hier), der aktuellen Absenkung der Wachstumsprognosen für 2022 (hier), die natürlich auch auf der anhaltend vergleichsweise hohen Inflation (hier) und Lieferengpässen gerade bei Halbleitern beruht, erscheint ein weiterer Rückgang der Insolvenzzahlen bei Unternehmen in 2022 denn auch eher unwahrscheinlich. Zumindest dürfte 2022 einen kleinen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen sehen. Sollte die Regierung tatsächlich die coronabedingten Fördermaßnahmen ab April 2022 aufheben oder erheblich zurückfahren, dürfte es bei den Insolvenzen einen gewissen „Aufholeffekt“ geben, bei Restrukturierungen – insbesondere der von der KfW vergebenen Corona-Beihilfen – wohl sogar mehr. Sollte die Inflation in Deutschland über das erste Quartal 2022 hinaus über 3% betragen, ohne dass das Wirtschaftswachstum entsprechend „anzieht“, dürften die Insolvenzzahlen steiler steigen. Sollten sich darüber hinaus etwaige Risiken – z.B. in der Sicherheitspolitik (hier) oder im Cyber-Raum (hier) – realisieren, dann dürfte der nunmehr berühmt-berüchtigte „Ketchup-Flaschen“-Effekt eintreten – mit deutlich höheren Insolvenzzahlen.