Die „Baustellen“ der (Criminal) Compliance

Die von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gebildete Bundesregierung hat seit dem 8. Dezember 2021 die Amtsgeschäfte übernommen (s. allgemein dazu hier). Der Koalitionsvertrag dieser umgangssprachlich als „Ampel-Koalition“ bezeichneten Regierung gibt für den Bereich der (Criminal) Compliance einige Zielstellungen vor, die nachfolgend kurz skizziert werden sollen.

Zwar hat die vorherige Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Merkel im Rahmen der Geldwäscheprävention die (europarechtlich erforderliche) Aufwertung des Transparenzregisters zu einem Vollregister noch umsetzen können (s. zur Kommentierung hier) sowie das (auf rein nationalen Erwägungen beruhende) sog. „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ (LkSG) auf den Weg gebracht (Kommentierung folgt). Demgegenüber gelang es nicht mehr, die europäische „Whistleblower-Richtlinie“ bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist am 17. Dezember 2021 in deutsches Recht umzusetzen, wiewohl sich das Vorhaben schon in fortgeschrittenem Stadium befindet (s. hier zum  Referentenentwurf, zur Problematik der Hinweisgeber allgemein, s. bei mir schon hier). Neben diesen offensichtlichen Baustellen halten sich die Koalitionäre bei eigenen Akzenten – außer bei der Geldwäsche (nachfolgend unten) – eher zurück. So heißt es in Rz. 3731 ff. des Koalitionsvertrages eher sybillinisch:

„Unternehmensrecht
Wir schützen ehrliche Unternehmen vor rechtsuntreuen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern. Wir überarbeiten die Vorschriften der Unternehmenssanktionen einschließlich der Sanktionshöhe, um die Rechtssicherheit von Unternehmen im Hinblick auf Compliance-Pflichten zu verbessern und für interne Untersuchungen einen präzisen Rechtsrahmen zu schaffen.“

Zwar dürfte man aus dieser Formulierung folgern können, dass die „Ampel“ die Einführung gesetzlicher Rahmenbedingungen für (unternehmens-)interne Untersuchungen plant (s. zur Thematik der „internal investigations“ allgemein hier, zu den entsprechenden Regelungen im vormaligen Ref-E zum Unternehmensstrafrecht hier). Ob allerdings das – von der Vorgängerregierung nicht mehr umgesetzte – Verbandssanktionengesetz nun tatsächlich kommt (zum letzten Stand der Diskussion, s. hier) oder ob lediglich die bislang geltenden Regeln des Ordnungswidrigkeitenrechts entsprechend „überarbeitet“ werden, lässt sich aus der gewählten Formulierung nicht abschließend entnehmen. 

Demgegenüber sind die Zielsetzungen der Koalition beim Thema „Geldwäsche“ viel konkreter (ab Rz. 5800), aber zugleich auch – ganz im Sinne der angestrebten „Weiterentwicklung zu einem föderalen europäischen Bundesstaat“ (Rz. 4424) – eher europäisch orientiert: Neben der nationalen Verbesserung des Schutzes vor Geldwäsche im Immobiliensektor und einer Stärkung der „Financial Intelligence Unit“ (FIU) wird eine EU-Verordnung mit den „zentralen“ Vorschriften der Geldwäsche sowie die Einrichtung einer unabhängigen EU-Geldwäschebehörde (mit Sitz in Frankfurt) angestrebt. Angesichts der internationalen Stellung Deutschlands als „Geldwäscheparadies“ (hier) und der chronischen Überforderung der FIU (hier) dürften diese Pläne per se geeignet sein, diese „Baustelle“ der Compliance voran zu bringen – wenn auch mit Sicherheit nicht abzuschließen. Bei der Umsetzung wird sich – wie bei vorherigen Reformen – allerdings die Frage stellen, ob „Otto-Normal-Bürger*innen“ dann nicht immer „gläserner“ vor einem übergriffigen Staat stehen (s. meine Kommentierung zur letzten Reform des GWG hier)

Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP

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