Die „doppelnützige Treuhand“ – unterschätztes Instrument in der Sanierung?

In der Krise des Unternehmens ist das Vertrauen der finanzierenden Banken in Geschäftsführung und Gesellschafter nicht selten erschüttert. Gleichzeitig gilt eine Insolvenz nach wie vor als potentieller Wertevernichter und ist in der Restrukturierung nicht unbedingt erste Wahl (wenn eine Antragspflicht vermieden werden kann). Darüber hinaus benötigt eine nachhaltige Sanierungen häufig „Fresh Money“ , das aber auch durch eine Restrukturierung nicht per se zu erlangen ist. Die finanzierenden Banken sind zudem häufig nicht zur Re-Finanzierung bereit, wenn bisherige Gesellschafter (ohne ihrerseits neues Geld zu geben) von einer Finanzspritze partizipieren würden. Ein potentieller Investor sieht das ähnlich und möchte sich in der Regel ebenfalls nicht mit den Alt-Gesellschaftern auseinandersetzen. In derartigen Situationen widerstreitender Interessen kann die sog. „doppelnützige Treuhand“ eine Lösung darstellen. Allerdings sind bei ihrem Einsatz einige Besonderheiten zu berücksichtigen, denen der nachfolgende Artikel genau so nachgeht, wie der neusten BGH-Rechtsprechung in diesem Bereich.

Grundlagen

Eine insolvenzfeste Sicherung von Vermögenswerten kann über die Konstruktion einer sog. „doppelnützigen Treuhand“ (Auch „Doppeltreuhand“ oder „doppelseitige Treuhand“ genannt) erfolgen. Dabei verwaltet der Treuhänder das Treugut aufgrund Vertrag mit dem Treugeber (Verwaltungstreuhand) und verwendet es aufgrund mit oder zu Gunsten des Treugeber-Gläubigers für diesen (Sicherungstreuhand). (Doppelnützige) Treuhandkonstruktionen werden in verschiedenen Konstellationen genutzt, z.B. zur Bildung eines Sicherheitenpools (von Banken) oder auch zur Absicherung in der betrieblichen Altersversorgung (häufig in Form sog. „Contractual Trust Agreements„, CTA, s. vertiefend hier), im Rahmen von Zahlungen bei Zug-um-Zug-Geschäften („escrow-accounts„)  oder in der eingangs dieses Artikels geschilderten Situation, also der Einbringung von Gesellschaftsanteilen in eine Treuhandkonstruktion zum Ausgleich widerstreitender Interessen.

Gegenüber der reinen Verpfändung von Sicherheiten hat die doppelnützige Treuhand – je nach Gestaltung der Treuhandverträge – den Vorteil der möglichen Einflussnahme seitens des Treugeber-Gläubigers. So wird die doppelnützige Treuhand häufig als sog. „Verkaufstreuhand“ eingesetzt, sprich, der Treuhänder wird zugleich mit dem Abschluss der Treuhandverträge beauftragt, einen Verkaufsprozess in die Wege zu leiten. Aus dem Erlös des Verkaufs werden in der Regel die finanzierenden Banken befriedigt, ein etwaiger Überschuss wird gewöhnlich an den Gesellschafter ausgekehrt.

Die Insolvenz des Treugebers

Wie eingangs ausgeführt, wird die doppelseitige Treuhand in der Restrukturierung eingesetzt, um den Gesellschafter von den Anteilen zu trennen – und damit von einem Eingriff in die Sanierung abzuhalten. So soll eine Insolvenz des Treuguts (=Unternehmen) vermieden werden. Geht das Unternehmen, dessen Anteile sich in treuhänderischer Verwaltung befinden, in die Insolvenz, sind diese Anteile zumeist wertlos (oder werden im Rahmen eines Debt-Equity-Swaps „entwertet“). Problematisch wird es aber, wenn der Treugeber (=Gesellschafter) selber in die Insolvenz fällt. In einem Urteil aus dem Jahre 2015 setzte sich der BGH im Rahmen einer Entscheidung zu Schmid/Mobilcom (hier und hier) vertieft mit dieser Konstellation auseinander, wobei in dem Fall die Besonderheit bestand, dass die Anteile sowohl verpfändet waren als auch das Treugut im Rahmen einer doppelnützigen Treuhand bildeten. 

Im Hinblick auf die Treuhand-Konstruktion entschied der BGH, dass „eine Treuhandvereinbarung mit schützender Drittwirkung anzunehmen [ist], wenn Kreditgeber oder sonstige Dritte ihren Beitrag zu Sanierungs- oder Restrukturierungsmaßnahmen von der Übertragung der Gesellschaftsanteile des Treugebers auf einen Treuhänder abhängig machen, damit eine vom Einfluss des Treugebers unabhängige Durchführung der Maßnahme gewährleistet ist.“ Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Treugebers bleibt nach der Entscheidung des BGH ohne Einfluss auf die Wirksamkeit einer doppel- oder mehrseitigen Treuhandvereinbarung, „wenn dies zur Wahrung der Rechte eines Drittbegünstigten erforderlich ist.“ Demnach bleibt eine solche Treuhandvereinbarung ungeachtet der §§ 115, 116 InsO wirksam, wenn dies zur Wahrung der Rechte von Drittbegünstigten, etwa zur Absicherung von deren Beitrag zu Sanierungs- oder Restrukturierungsmaßnahmen, erforderlich ist (s. Begründung BGH, Rz. 43, 44).

Ferner entschied der BGH, dass sog. „Inhaberaktien“ (hier) nach den Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen verpfändet werden können, auch wenn sie in einer Sammelurkunde verbrieft sind, die bei einer Wertpapiersammelbank verwahrt wird. Wird der Treugeber insolvent, steht dem doppelseitigen Treuhänder – weil er einem Sicherungstreuhänder gleichgestellt ist – nach h. M. grundsätzlich allerdings nur ein Absonderungsrecht analog § 51 InsO und kein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO zu. Der Insolvenzverwalter ist nach dem BGH gleichwohl zumindest dann nicht nach § 166 I InsO zur Verwertung der verpfändeten Aktien berechtigt, wenn der Schuldner zwar zunächst Inhaber der verbrieften Mitgliedschaftsrechte geblieben ist, er sich dieser Rechte aber später durch Übertragung auf einen Treuhänder selbst begeben hat. Mit dieser Entscheidung hat der BGH die „Insolvenzfestigkeit“ von Doppeltreuhandkonstruktionen bejaht, wenn der Treugeber seine (gesellschaftsrechtlichen) Mitgliedschaftsrechte unwiderruflich auf den Treuhänder überträgt und dieser insoweit seinen Weisungen nicht mehr unterliegt. Insoweit steht dem Treuhänder selber das Verwertungsrecht nach § 173 InsO zu.

Zunächst blieb allerdings streitig, ob der Treuhänder dem Verwalter dennoch aus dem Verwertungserlös die sog. „Feststellungs- und Verwertungspauschale“ iHv. regelmäßig 9% des Erlöses zu zahlen hatte, vgl. § 171 InsO. Nach einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2019 ist aber davon auszugehen, dass der Verwalter weder die Feststellungs- noch die Verwertungspauschale beanspruchen kann.

Gleichstellung des Treugeber-Gläubigers mit dem Gesellschafter?

Häufig wurde in der Vergangenheit bereits dem Versuch der Etablierung einer Treuhand-Konstruktion von den Gesellschaftern mit dem „Totschlagargument“ begegnet, dass sich die Bank als Treugeber-Gläubiger einem Gesellschafter gleichstelle und damit die von der Bank begebenen Darlehen als nachrangig im Sinne des § 39 Abs. 5 InsO einzustufen seien. Im Falle der Insolvenz des Unternehmens versuchten sich die Insolvenzverwalter im Rahmen diverser Prozesse natürlich an einer ähnlich gelagerten Diskussion. Der BGH beendete mit einer Entscheidung aus dem Jahre 2020 diese Diskussion und entschied, dass „ein doppelseitiges Treuhandverhältnis, bei dem der Gesellschafter als Treugeber seinen Gesellschaftsanteil auf einen Treuhänder überträgt, der ihn zugleich treuhänderisch zugunsten des Darlehensgebers hält, nicht dazu [führt], dass der Darlehensgeber allein aufgrund der zu seinen Gunsten bestehenden treuhänderischen Berechtigung einem Gesellschafter gleichzustellen ist. Auch insoweit kommt es darauf an, wie die Rechtsstellung des Darlehensgebers im Vergleich zu einem Gesellschafter ausgestaltet ist.“ Dabei soll eine bloß faktische Möglichkeit des Darlehensgebers, Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft zu nehmen, für die Gleichstellung mit einem Gesellschafter nicht genügen.

Steuerliche Fragen

Zwar gilt nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO der Grundsatz, dass bei Treuhandverhältnissen die jeweiligen Wirtschaftsgüter weiterhin alleine dem Treugeber zuzurechnen sind, so dass – soweit die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind – kein steuerbarer (schädlicher) Anteilsübergang z.B. iSv. § 8c KStG vorliegt. Die vom BFH zur Konkretisierung der Norm aufgestellten Tatbestandsmerkmale beinhalten allerdings u.a., dass das Treuhandverhältnis durch den Treugeber „beherrscht“ werden müsse, also insbesondere eine Weisungsbefugnis bestehe und der Treugeber jederzeit die Rückgabe des Treuguts verlangen könne. Diese Kriterien stehen offensichtlich im Widerspruch zum von den regelmäßig als Treugeber-Gläubiger agierenden Banken bei der Etablierung der Treuhand angestrebten Zielen. Die steuerliche Anerkennung wird dementsprechend von der vertraglichen Gestaltung und der Einschätzung der jeweiligen Finanzverwaltung im Einzelfall abhängen.

Fazit: Zwar führt der Einsatz einer „doppelnützigen Treuhand“ an sich – genau so wenig, wie eine sog. „übertragende Sanierung“ – zur Sanierung eines Unternehmens in der Krise. Durch eine Treuhandkonstruktion kann allerdings die Ausbalancierung der teils widerstreitenden Interessen der an einer Sanierung beteiligten Parteien gelingen – was eine wesentliche Grundlage für eine nachhaltige Sanierung bildet.

Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, gestaltet sich das Aufsetzen einer Treuhandkonstruktion allerdings schon auf Grund der Divergenzen zwischen obergerichtlicher Rechtsprechung in Zivil- und Steuersachen komplex. Hinzu kommt, dass dem oben geschilderten Schmid/Mobilcom-Fall gerade die seltene Konstellation von Inhaberaktien zu Grunde lag, sprich verbriefte Rechte. Dementsprechend ist weiterhin streitig, wie mit „unverbrieften“ und daher den sachenrechtlichen Regelungen nicht unterfallende Rechten umzugehen ist. Dafür zieht die h.M. wohl bislang eine analoge Anwendung von § 166 I InsO in Betracht. Dementsprechend läge das Verwertungsrecht beim Verwalter und er hätte zudem das Recht, die Feststellungs- und Verwertungspauschale einzubehalten. Dies führt natürlich zur Beeinträchtigung der Rechte und der Erlöse der Treugeber-Gläubiger.

Auf Grund ihrer Komplexität kann die doppelnützige Treuhand keine „Allzweckwaffe“ im Werkzeugkasten des Sanierers sein, in geeigneten Fällen sollte man ihre Sanierungswirksamkeit aber nicht unterschätzen.

BGH, Urt. v. 24.09.2015 – IX ZR 272/1
BGH, Urt. v. 14.11.2019 – IX ZR 50/17
BGH, Urt. v. 25.06.2020 – IX ZR 243/18
BFH, Urt. v. 04.05.2022 – I R 19/18

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