Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem Ende Januar 2017 ergangenen Urteil die Anforderungen an die Haftung von Steuerberatern in der Unternehmenskrise verschärft.
Noch im Jahre 2013 hatte der BGH in einem Urteil die Voraussetzungen für die Haftung eines Steuerberaters in der Krise eines Unternehmens sehr einschränkend wie folgt konkretisiert:
- Welche Aufgaben der Steuerberater zu erfüllen hat, richtet sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats.
- Der Steuerberater ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind.
- Nur in den hierdurch gezogenen Grenzen des Dauermandats hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren.
- Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Steuerberaters gehört es, den Mandanten vor Schaden zu bewahren (§ 242 BGB) und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutage liegen, hinzuweisen.
- Gemessen an diesen Grundsätzen ist es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss.
Unter ausdrücklicher teilweiser Aufgabe dieser Rechtsprechung entschied der BGH nunmehr mit seinem Urteil aus dem Januar 2017, dass ein Steuerberater, der den Jahresabschluss für ein Unternehmen erstellt, dann haftbar gemacht werden kann, wenn er es unterlässt, die Organe auf die sich aus dem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag (§ 268 Abs. 3 HGB) ergebenden Risiken hinzuweisen und nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass dies auf einen Insolvenzgrund hindeutet.
Dabei hafte der Steuerberater, der den Jahresabschluss erstelle, zunächst wegen Pflichtverletzung des Werkvertrages, wenn der Jahresabschluss mangelhaft ist, z. B. weil zu Unrecht Fortführungswerte zu Grunde gelegt wurden. Allerdings habe der Steuerberater ohne besondere Vereinbarung nicht die Pflicht, von sich aus die für die Fortführungsprognose erheblichen Tatsachen zu ermitteln. Vielmehr hat der Steuerberater den Jahresabschluss lediglich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm bekannten Umstände zu erstellen. Jedoch ist der Jahresabschluss nach dem BGH unabhängig vom Umfang der Prüfungspflichten des Steuerberaters stets mangelhaft, wenn er auf der Grundlage der ihm übergebenen Unterlagen und Angaben des Unternehmens und der dem Steuerberater – etwa aus einem Dauermandat – bekannten Umstände den handelsrechtlich zulässigen Rahmen überschreitet, also handelsrechtliche Vorgaben verletzt.
Das Vorliegen eines Insolvenzgrundes spricht regelmäßig gegen die Regelvermutung einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit, gleichwohl kann – auf Grund einer Prognose über die Gesamtsituation des Unternehmens – eine Bilanzierung nach Fortführungswerten zulässig sein. Dies bedürfe aber einer konkreten Begründung im Einzelfall. Allein die Tatsache, dass das Unternehmen trotz Erfüllung eines der Insolvenztatbestände weiter tätig ist, rechtfertigt die Bilanzierung zu Fortführungswerten nicht. Sprechen Umstände gegen die Fortführungsvermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2, so hat der Steuerberater die Pflicht, vom Unternehmen die Erstellung einer Fortführungsprognose einzufordern. Die Haftung entfällt aber dann, wenn der Steuerberater die erforderlichen Prüfungen durchgeführt und Hinweise gegeben hat, aber das Unternehmen ihn ausdrücklich anweist, gleichwohl Fortführungswerte bei der Erstellung der Bilanz zu Grunde zu legen.
Der BGH weist auf die (übliche) Rechtsfolge hin, wonach bei Mängeln der Werkleistung (also hier des Jahresabschlusses) das Verschulden vermutet wird, den Steuerberater also die Beweislast für seine eigene Entlastung trifft. Demgegenüber muss der Insolvenzverwalter nachweisen, dass die fehlerhafte Bilanz für den Insolvenzverschleppungsschaden kausal war. Ferner kann ein demnach bestehender Schadenersatzanspruch infolge eines dem Unternehmen nach § 31 BGB analog zuzurechnenden Mitverschuldens der Geschäftsführer erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein. Daneben stellt der BGH unter Verweis auf ein Urteil aus dem Jahre 2008 klar, dass auch außerhalb einer etwaig beschränkten Beauftragung den Steuerberater eine Hinweispflicht trifft, soweit die Gefahren dem Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen und wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist.
Das Urteil bewegt sich konsequent auf der Linie des neunten Zivilsenats des BGH, der seit Jahren die Anforderungen an die Haftung von bzw. Anfechtbarkeit von Leistungen gegenüber Organen, Beratern und Gläubigern in der Unternehmenskrise absenkt. So zwingt der BGH mit einem Urteil aus dem Mai letzten Jahres die Gläubiger die Schlüssigkeit eines Sanierungskonzepts des Schuldners zu prüfen, um eine Anfechtbarkeit von Leistungen zu vermeiden (s. Kommentierung hier). Allerdings ist dem BGH zuzugeben, dass der Steuerberater – je nach Auftragsumfang – als Aussenstehender durchaus über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens Bescheid weiß (oder wissen sollte) und deswegen auch der Versuchung widerstehen sollte, sich – zur Erhaltung des Mandates – sozusagen als „Feigenblatt“ für eine nicht den Tatsachen entsprechende positive Unternehmensdarstellung mißbrauchen zu lassen.
BGH, Urt. v. 26.01.2017 – IX ZR 285/14
BGH, Urt. v. 07.03.2013 – IX ZR 64/12
BGH, Urt. 18.12.2008 – IX ZR 12/05
BGH, Urt. v. 12.05.2016 – IX ZR 65/14