Nicht nur, dass die Unternehmensinsolvenzen nach aktuellen Meldungen von Destatis im Februar 2020 um weitere 3,2% zurückgegangen sind (hier; bereits im Januar war ein Rückgang von 5,4% zu verzeichnen, hier). Destatis hat angesichts der Corona-Krise nun zusätzlich erstmalig vorläufige Angaben zu den eröffneten Regelinsolvenzverfahren für die Monate März und April 2020 veröffentlicht. Und demzufolge nahm zwar die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im März um im Vergleich zum März 2019 um 1,6 % zu, sank aber (erneut im Vorjahresvergleich) im April 2020 erneut und deutlich um 13,4 %.
Demnach wird – trotz einiger namhafter Verfahren (s. dazu die gute Übersicht hier) die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach dem COVInsAG (s. dazu mehr hier) augenscheinlich von den Unternehmen gerne genutzt. Allerdings dürfte ein Grund für den regelrechten Absturz der Zahl der Unternehmensinsolvenzen auch darin liegen, dass Gläubiger de facto bis September von ihrem Antragsrecht ausgeschlossen sind (s. dazu auch hier). Dementsprechend macht sich – erneut – die Sorge vor einer (zunehmenden?) „Zombifizierung“ der deutschen Wirtschaft breit (s. näher dazu hier), wohl nicht ganz zu Unrecht. Denn die Zahl der Unternehmensinsolvenzen war ja vor Corona rückläufig, obwohl die Wirtschaft bereits rezessive Tendenzen aufwies (s. näher dazu hier), dementsprechend dürften schon zu diesem Zeitpunkt eigentlich erforderliche Marktbereinigungen nicht erfolgt sein.
Auch wenn einige Experten nun – nach Auslaufen der Aussetzung der Antragspflicht Ende September 2020 – eine große „Insolvenzwelle“ erwarten (s. nur hier), erwarte ich genau das eher nicht: Die Regierung sieht die Zahlen und Fakten ja genau so und wird zumindest ahnen, dass ohne eine Verlängerung der Aussetzung tatsächlich eine „Welle“ drohen würde, bei der auch viele eigentlich sanierungsfähige Unternehmen abgewickelt würden. Dies schlicht schon deswegen, weil die noch vorhandenen Verwalter und Sanierer rein zahlenmäßig gar keine Welle „stemmen“ könnten.
Schon deswegen gehe ich von einer Verlängerung der Aussetzung bis ins nächste Jahr aus (wo sie dann wahrscheinlich angesichts der anstehenden Bundestagswahlen erneut verlängert wird). Vielleicht wird die Regierung auch die derzeit kursierenden Vorschläge aufgreifen und kriselnde Unternehmen entweder in einen „Winterschlaf“ (hier) versetzen oder in einer „Treuhandanstalt 2.0“ auffangen (hier). Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Ich halte die Aussetzung der Antragspflicht bis zu einem Zeitpunkt, an dem man einigermaßen den Verlauf „nach Corona“ absehen kann, für nicht falsch.
Ich befürchte aber, dass die Regierenden die „politischen Opportunitätskosten“ einer danach zwangsläufig ablaufenden Marktbereinigung in Form von höheren Insolvenz- und womöglich Arbeitslosenzahlen nicht tragen wollen und opportunistische Lösungen vorziehen werden. Und auch aus unternehmerischer Sicht bedeutet „Winterschlaf“ nichts anderes, als Stillstand. Und das nach dem längsten Stillstand, den wir seit dem 2. Weltkrieg hatten. Das dürfte der „Agilität“ nicht gut tun, schon gar nicht der Wettbewerbsfähigkeit. Aus unternehmerischer Sicht wird man dem Stillstand nur begegnen können, in dem man sich (operativ!) so aufstellt, dass auch in der „Nach-Corona-Welt“ das Überleben gesichert ist. Wir werden sehen, welche Unternehmen sich diese Einsicht in der nächsten Zeit – nicht nur verbal und marketingtechnisch – zu eigen machen. Für alle anderen besteht tatsächlich Grund zur Sorge.