Stand: 16. März 2020 – 23:17 Uhr
In der aktuellen Corona-Pandemie überschlagen sich nicht nur die Ereignisse, auch die Politik entscheidet derzeit am Fließband. Da kann schon mal der Überblick verloren gehen. Im Rahmen dieses – zunächst ständig aktualisierten – Posts stelle ich deswegen – außerplanmäßig im Rahmen meiner Reihe zur „Finanzierung in der Krise“ (s. dazu zuletzt hier) – die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie geplanten Finanzhilfen vor und bewerte sie:
Im Rahmen einer Pressekonferenz holten die Minister Scholz und Altmaier ausgerechnet am Freitag, den 13. (März 2020) die fiskalpolitische „Bazooka“ aus dem Schrank (s. näher dazu hier) und verkündeten zahlreiche Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft:
Kurzarbeitergeld
Bei den – durch Gesetz vom 12.3.2020 beschlossenen (hier, vom Bundesrat am 13.3.2020 „genehmigten“, hier) – neuen Regelungen zum Kurzarbeitergeld ist neben dem Absenken des erforderlichen Quorums der von Arbeitsausfall betroffenen Beschäftigten im Betrieb auf bis zu 10 % insbesondere unter strafrechtlichen Aspekten wichtig, dass die Bundesagentur für Arbeit die Sozialversicherungsbeiträge vollständig erstatten soll (hier; bei der BfA sind auf der entsprechenden Seite (hier) diese Informationen augenscheinlich noch nicht eingestellt).
Es bleibt abzuwarten, wie schnell diese Gesetzen umgesetzt werden. Denn die Zeit drängt, weil die nächsten Löhne und Gehälter spätestens Ende März fällig werden dürften.
Liquiditätshilfen für Unternehmen
Der KfW kommt die die Aufgabe zu, die vom Bundeskabinett beschlossene kurzfristige und erleichterte Versorgung der Unternehmen mit Liquidität zu umzusetzen. Die KfW soll dazu die bestehenden Kredite für Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler nutzen und dort die Zugangsbedingungen und Konditionen verbessern, wobei die KfW auf Ihrer Seite explizit darauf hinweist, dass es sich hierbei nicht um Zuschüsse handelt (hier).
Steuerliche Maßnahmen
Auch bei den steuerlichen Maßnahmen sind bislang nur Absichtsbekundungen der Herren Minister zu vermerken. So ist geplant, den Finanzbehörden zu erleichtern, Stundungen von Steuerschulden zu gewähren und bis Ende des Jahres 2020 auf Vollstreckungsmaßnahmen und Säumniszuschläge zu verzichten, wenn Unternehmen unmittelbar vom Coronavirus betroffen sind. Ferner sollen die Voraussetzungen, um Vorauszahlungen von Steuerpflichtigen anzupassen, erleichtert werden.
Abzuwarten bleibt also insoweit die Umsetzung dieser Beschlüsse in die konkrete Verwaltungspraxis der Finanzämter – insbesondere, was die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „unmittelbaren Betroffenheit vom Coronavirus“ angeht. Bei einer unternehmensfreundlichen Umsetzung dürften diese Maßnahme den Unternehmen nicht unwesentlich Liquidität bringen.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Laut Mitteilung des BMJV vom 16. März 2020 plant die Regierung, über ein Gesetz die Insolvenzantragspflicht für nach § 15a InsO dazu verpflichtete Unternehmen bis zum 30. September 2020 unter bestimmten Bedingungen auszusetzen. Voraussetzung für die Aussetzung soll sein, dass der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der Corona-Epidemie beruht und dass aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung bestehen (s. näher dazu hier). Mit dieser flankierenden Regelung kommt das BMJV verschiedenen Forderungen von führenden Vertretern der Restrukturierungs- und Insolvenzbranche nach (s. nur hier oder hier).
Erste Bewertung
Die bereits bei den letzten Hochwasserkatastrophen bewährte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (s. dazu schon hier) ist zu begrüßen. Dies um so mehr, als schon wenige Tage nach Verkündung der Maßnahmen zumindest auf der Homepages der Bundesagentur für Arbeit eine Warnung vor der Überlastung des Telefonnetzes prangt (hier). Dies dürfte im Zweifel in nächster Zeit genau so für die Homepage der KfW und andere Institutionen gelten, die von der Bundesregierung zur Verteilung von Finanzhilfen auserkoren wurden. Wenn man bedenkt, dass nach einer am 12. März 2020 veröffentlichten Ifo-Umfrage bereits jetzt 56% der Unternehmen unter den Folgen der Corona-Epidemie leiden (hier), dürfte es nicht bei einzelnen Anträgen bleiben – es dürfte vielmehr eine wahre „Welle“ drohen.
Die Frage ist dann aber, ob Unternehmen – selbst bei ausgesetzter Antragspflicht – noch rechtzeitig die erforderliche Liquidität tatsächlich auf ihr Konto bekommen, bevor sie „leer laufen“. Und angesichts der Verlegung der Arbeiten in die „Home Offices“ dürfte die Antragstellung und Beibringung der erforderlichen Belege nicht unkompliziert sein.
Auch wird die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht bedingungslos gewährt, vielmehr müssen die Geschäftsleiter prüfen, ob der Insolvenzgrund
- auf den Auswirkungen der Corona-Epidemie beruht und
- aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw.
- ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen
- begründete Aussichten auf Sanierung bestehen.
So ehrenwert diese Bedingungen auch sein mögen – sollen sie doch das Überleben sog. „Unternehmens-Zombies“ verhindern – so wenig werden sie gleichwohl die zwischenzeitliche Stabilisierung der deutschen Wirtschaft erleichtern. Denn die Prüfung und Dokumentierung dieser – wahrscheinlich auch für die Vergabe von Liquiditätshilfen erforderlichen – Bedingungen benötigt Zeit und Geld (was die Unternehmen ja gerade nicht haben). Auch dürfte die erforderliche „Manpower“ für derartige Bescheinigungen angesichts der zu erwartenden Fallzahlen rasch am Anschlag sein. Bei Unternehmen wird man dann – trotz dieser Maßnahmen – ähnlich wie Ärzte bei Patienten – eine „Triage“ vornehmen müssen, was nichts anderes als ein Euphemismus dafür ist, zu entscheiden, wer leben darf und wer nicht. Letztlich wird die Bundesregierung damit nicht um den angedeuteten „Unternehmensfonds“ herumkommen, um die auch KMU’s in dieser Krise zu stabilisieren.