Aus aktuellem Anlass soll an dieser Stelle kurz an die Haftung des Geschäftsführers für die Nichtabführung von Steuern der GmbH erinnert werden. Das FG Münster hat dazu in einem erst Anfang diesen Jahre ergangenen Beschluss die geltende Rechtslage noch einmal prägnant dargestellt.
Die Entscheidung
Generell gilt, dass aus der Nichterfüllung steuerlicher Pflichten z. B. der GmbH aus § 34 AO i.V.m. § 69 AO unmittelbar eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber dem Finanzamt folgen kann. Wie das FG Münster in der genannten Entscheidung aus dem Februar 2017 festgestellt hat, befreit allein der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens den GmbH-Geschäftsführer auch nicht von dieser Haftung.
Anders als bei den Sozialversicherungsbeiträgen besteht bei Steuerschulden zwar grundsätzlich keine Verpflichtung zur vorrangigen Befriedigung. Reichen die finanziellen Mittel der Gesellschaft aber nicht zur Befriedigung aller Gläubiger aus, so ist der Geschäftsführer verpflichtet, die Steuerschulden der Gesellschaft in etwa in dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Forderungen der anderen Gläubiger, sog. Grundsatz der anteiligen Tilgung.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der sich das FG Münster anschloss, besteht auch keine Pflichtenkollision zwischen der Verpflichtung zur (anteiligen) Tilgung der Steuerschulden und der sog. Massesicherungspflicht bei Vorliegen von Insolvenzgründen. Der BFH hatte dazu ausgeführt, dass die Haftung nach den §§ 69, 34 AO auch dann nicht ausgeschlossen sei, wenn die Nichtzahlung der fälligen Steuern in die dreiwöchige Schonfrist falle, die dem Geschäftsführer zur Massesicherung ab Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 a.F. GmbHG (nunmehr geregelt in § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO) eingeräumt ist.
Die (drohende) Geschäftsführerhaftung nach §§ 69, 34 AO für Umsatzsteuerschulden führt nach Auffassung des Senates auch nicht dazu, dass die Insolvenzforderungen des Fiskus vorrangig gegenüber den Forderungen der anderen Insolvenzgläubiger befriedigt werden und es somit zu einer Verletzung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes kommt. Vielmehr greife die Geschäftsführerhaftung nur dann ein, wenn ein Geschäftsführer trotz bestehender Massesicherungspflicht andere Gläubiger (unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes) bevorzugt gegenüber dem Fiskus befriedigt habe. So soll verhindert werden, dass Sanierungsbemühungen auf Kosten der staatlichen Solidargemeinschaft erkauft werden. Der Fiskus habe lediglich gegenüber anderen ungleich behandelten Gläubigern den Vorteil, dass er aus §§ 34, 69 AO einen direkten Haftungsanspruch gegen die Geschäftsführer habe und nicht auf den Anspruch der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer nach § 64 Satz 1 GmbHG beschränkt sei. Diese Besserstellung des Fiskus in verfahrensrechtlicher Hinsicht ist aber nach Auffassung des Senates in Anbetracht des Umstands, dass das Interesse der Geschäftsleitung an der Befriedigung des Fiskus oftmals geringer ist, sachlich gerechtfertigt.
Auch handelt ein Geschäftsführer bei der Nichtabführung der fälligen Steuern regelmäßig grob fahrlässig: im Sinne des § 69 AO handelt grob fahrlässig, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung der Finanzgerichte insbesondere dann anzunehmen, wenn der Handelnde gesetzliche Vorschriften nicht beachtet, deren Beachtung von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebes verlangt werden muss. Verfügte die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Steuerfälligkeit oder danach nicht über ausreichende Finanzmittel, um sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten einschließlich der Steuerschulden tilgen zu können, so handelt der Geschäftsführer grob fahrlässig, wenn er die vorhandenen Mittel nicht im Sinne des oben genannten Grundsatzes der anteiligen Tilgung einsetzt.
Schließlich befreit allein der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens den GmbH-Geschäftsführer nicht von der Haftung wegen Nichtabführung von Steuern. Denn der Geschäftsführer ist nach der Rechtsprechung des BFH solange verpflichtet, die Steuerverbindlichkeiten des Steuerschuldners zu zahlen, bis diesem durch Bestellung eines (starken) Insolvenzverwalters oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis entzogen wird. Die Rechtsposition des Geschäftsführers als gesetzlicher Vertreter des (Steuer-)Schuldners und dessen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Außenverhältnis wird auch durch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung nicht beschränkt.
Regelmäßig hat die Vollziehung des Haftungsbescheides für den Geschäftsführer auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene, Härte zur Folge. Eine solche unbillige Härte wäre nur dann anzunehmen, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde Die für eine unbillige Härte sprechenden Umstände können jedoch nur insoweit berücksichtigt werden, als diese bis zur Entscheidung substantiiert vorgetragen und – ggf. durch präsente Beweismittel – glaubhaft gemacht worden sind. Allgemeine Floskeln genügen nicht, vielmehr müssen gerade die wirtschaftlichen Verhältnisse des Einzelfalles dargelegt werden. Selbst bei Vorliegen einer unbilligen Härte kommt eine Aussetzung der Vollziehung jedoch nur dann in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen (Steuer-)Bescheides nicht ausgeschlossen werden können.
Bewertung & Empfehlungen
Auch wenn die dogmatische Begründung des BFH, warum die (eben durch die persönliche Haftung des Geschäftsführers abgesicherte Pflicht) zur (vorrangigen) Befriedigung von Steuerverbindlichkeiten eher abenteuerlich anmutet, so sollte diese Rechtsprechung dennoch gerade Geschäftsführern in der Krise geläufig sein – droht hier doch eine immense persönliche Haftung, selbst wenn der Insolvenzantrag fristwahrend gestellt wird.
Zwar erkennt die Finanzrechtsprechung auch bei der GmbH eine bestehende Ressortverteilung Einzelfall an, grundsätzlich haften mehrere Geschäftsführer für die Steuerverbindlichkeiten gemeinschaftlich. Bei einer drohenden Inanpruchnahme sollte also auch eine etwaig vorhandene (haftungsvermeidende) Ressortverteilung geprüft und ggf. dargestellt werden.
Droht – was nicht selten der Fall sein dürfte – bei einem Haftungsbescheid eine existenzbedrohende Krise des Geschäftsführers, so sollte neben der geforderten detaillierten Darstellung der wirtschaftlichen Situation auch die (vielleicht auch nur formale) Angreifbarkeit des ursprünglichen Steuerbescheides geprüft werden. Sollte gleichwohl eine persönliche Inanspruchnahme nicht abwendbar erscheinen, so sollte zumindest auf eine Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung gedrängt werden.