In der höchstrichterlichen Rechtsprechung deutet sich – nach einigen Urteilen – vielleicht eine vorsichtige Änderung der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) in Richtung der mit der Reform des Anfechtungsrechts durch den Gesetzgeber intendierten Entschärfung gerade der Absichtsanfechtung nach § 133 InsO an (s. zur Reform bereits hier).
So entschied der BGH bereits im Jahre 2017 etwa, dass die angedrohte Einzelzwangsvollstreckung (die den Schuldner zur Zahlung veranlasste) außerhalb der Dreimonatsfrist ungeeignet sei, eine Vorsatzanfechtung zu begründen. Auch entschärfte er seine Rechtsprechung im Hinblick auf das zu Innenfinanzierung von Konzernen häufig genutzte sog. „Cash-Pooling“ in der unten unter „Baumarkt“ zitierten Entscheidung aus 2019. Daneben entwickelt er seine Rechtsprechung zum „bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch“ weiter. Zunächst hebt das Gericht auf die Unterscheidung zwischen „Ausgleich“ und „Leistungsaustausch“ ab. Wird eine zunächst eingetretene Gläubigerbenachteiligung nachträglich dadurch wieder behoben, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführt („Ausgleich“), scheidet eine Anfechtung nach einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2018 aus. Eine Vorteilsausgleichung nach schadensrechtlichen Grundsätzen findet nach einer Entscheidung aus dem September 2019 dagegen im Anfechtungsrecht nicht statt. Eine Gläubigerbenachteiligung entfalle deswegen nicht schon, weil die anzufechtende Rechtshandlung im Zusammenhang mit anderen Ereignissen der Insolvenzmasse auch Vorteile gebracht habe.
In Fällen kongruenter Leistungen kann es aber am subjektiven Tatbestand des Benachteiligungsvorsatzes fehlen, so der BGH in einer Entscheidung aus dem November 2019, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit der potentiell anfechtbaren Rechtshandlung ein Leistungsaustausch ähnlich einem Bargeschäft stattfindet. Die letztgenannte Rechtsprechung zum „bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch“ dürfte, trotz der grundsätzlichen Erweiterung des Tatbestandes der Bargeschäftsausnahme nach § 142 InsO auch auf den Tatbestand des § 133 InsO, nicht nur auf Altfälle Anwendung finden, sondern vielmehr schon der Entwicklung einer Rechtsprechungspraxis bei der Prüfung des neu eingefügten Tatbestandsmerkmals der „Unlauterkeit“ dienen.
Die Gesamtschau der Urteile legt nahe, dass der BGH aktuell eine gewisse Abkehr von der auch vom Verfasser vielfach kritisierten „Kettenvermutungsregel“ (s. dazu nur Beissenhirtz, ZInso 2016, 1778, 1785) vollzieht, bei der aus dem Vorliegen objektiver Umstände bereits auf die subjektive Tatbestandsseite geschlossen wird. Vielmehr betont der Senat jetzt explizit häufiger die Nachweisobliegenheit des Insolvenzverwalters. Eine Schwalbe macht ja bekanntlich noch keinen Sommer, aber es könnte sein, dass die Reform der Insolvenzanfechtung langsam durchaus ihre intendierte, entschärfende, Wirkung entfaltet.
BGH, Urteil vom 6.7.2017 – IX ZR 178/16
BGH, Urt. v. 25.01.2018 – IX ZR 299/16
BGH, Urteil vom 12.09.2019 – IX ZR 16/18 „Baumarkt“
BGH, Urt. v. 26.09.2019 – IX ZR 25/19