Die Wirtschaftsauskunft Creditreform verkündete in einer Pressemeldung am 27. Juni 2018, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2018 um 3,3% auf 9.900 Fälle im Vergleich zum ersten Halbjahr 2017 abgenommen habe (hier), was in der Presse auch entsprechend gewürdigt wurde (hier). Demgegenüber teilte DeStatis heute lapidar mit, dass die Unternehmensinsolvenzen im April 2018 um +9,9% im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen seien (hier). Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Unternehmensinsolvenzen im 1. Quartal noch einmal um 3,0% im entsprechenden Vorjahresvergleich gesunken sind (hier), scheinen die von Creditreform erhobenen Daten im Lichte der Angaben von DeStatis doch näher begründungsbedürftig.
Schaut man sich die jeweiligen Statistiken jedoch genauer an, so fällt zunächst auf, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen (laut DeStatis) im Monatsvergleich von 1.624 im Februar auf 1.788 im März 2018 gestiegen ist, nur um im April dann wieder auf 1.729 zu fallen (s. hier). Dementsprechend hätten sich auch Schlagzeilen, wie „Unternehmensinsolvenzen steigen im März um 10%“ und „Unternehmensinsolvenzen fallen im April um 3,3%“ angeboten. Die gab es aber nicht. Und damit wären wir wieder bei meinem „Lieblingsthema“ – der statistischen Ungenauigkeit (zuletzt hier). Die Schwankungen zwischen den Monaten sind bei der Angabe von Unternehmensinsolvenzen so groß, dass Trends derzeit nur sehr schwer oder gar nicht zu erkennen sind. DeStatis erkennt die möglichen Verzerrungen selber, wenn es schreibt: „Die registrierten Insolvenzen von Unternehmen dürften auch deshalb relativ stark zugenommen haben, weil im April 2018 aufgrund der Lage der Osterfeiertage den Gerichten mehr Arbeitstage zur Verfügung gestanden hatten als im April 2017 und deshalb mehr Insolvenzanträge bearbeitet werden konnten. “
Die dann von DeStatis oder Creditreform gleichwohl verwandten Schlagzeilen sind einer unvoreingenommenen Beobachtung von Trends damit nicht gerade förderlich, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Und es bleibt die Frage, woher denn Creditreform die Zahlen für zumindest April bis Juni 2018 kommen – wenn die zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal bei DeStatis vorliegen. Schaut man dann auf S. 1 der Analyse (hier), dann steht dort bezüglich der Zahlen für das 1. Halbjahr „von Creditreform geschätzt“. Wenn ich die von DeStatis vorgelegten Zahlen bis April 2018 hochrechne (also die insgesamt 6.749 Insolvenzen bis April 2018 zusammenrechne, durch vier teile und mal sechs nehme), komme ich für das 1. Halbjahr auf eine Zahl von 10.123 Unternehmensinsolvenzen. Das wären knapp 200 mehr als von Creditreform geschätzt – also knapp über 2% mehr. Anders gewendet, wären das aber nur 96 Insolvenzen weniger, als die (tatsächlichen) 10.213 Unternehmensinsolvenzen im 1. Halbjahr 2017. Das wäre dann ein Rückgang um weniger als 1% (0,88%). Angesichts der hier aufgezeigten starken Schwankungen zwischen den Monaten ein zu vernachlässigender Wert. Vergleicht man jeweils die tatsächlichen Werte bis April (2017: 6750, 2018: 6749), dann gab es in den ersten vier Monaten des Vorjahres sogar nur genau eine (1!!!) Insolvenz von Unternehmen mehr.
Mir ist es ein Rätsel, wie aus diesen Zahlen die eingangs genannten Schlagzeilen folgen können!
Quintessenz: Derzeit ist ein struktureller Anstieg der Insolvenzen aus den vorhandenen Daten nicht zu erkennen – aber auch kein struktureller Rückgang. Am ehesten könnte man noch feststellen, dass die Unternehmensinsolvenzen eine Plateauphase erreicht haben. Die hier nachgezeichneten Schwankungen sind – auch auf Grund der aktuell sehr niedrigen Anzahl von Insolvenzen – eher mit statistischen Effekten zu erklären. Die Berichterstattung über diese – volkswirtschaftlich als Krisenindikator wichtige – Kennziffer lässt allerdings an Ojektivität zu wünschen übrig.