Die Bundesregierung versucht über etliche Wege, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zumindest abzufedern. So auch mit einer Regelung, die vornehmlich auf die von erzwungenen Schließungen stark betroffenen Einzelhändler gerichtet sein dürfte, nämlich die Anpasung der Miethöhe nach den Prinzipien des sog. „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ gegenüber den Vermietern zu erzwingen. Dass in der Hektik dabei nicht immer die bestmöglichen Regelungen herauskommen, zeigt der nachfolgende Artikel.
Nachdem die GroKo erst kurz zuvor einen Gesetzesvorschlag der Grünen zu pandemiebedingten Sonderregelungen für Gewerbemieten (hier) abgelehnt hatte (hier, S. 24795), beschloss sie im Rahmen der sog. „Ministerpräsidentenkonferenz“ (MPK) am 13. Dezember 2020 zur Vereinfachung der Verhandlungen zwischen Gewerbemietern bzw. -pächtern und Eigentümern die Einführung einer gesetzlichen Vermutung dahingehend dass erhebliche (Nutzungs-)Beschränkungen in Folge der Covid-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen können (hier). Gesagt, getan, die entsprechende zu Jahresbeginn eingeführte Vermutungsregelung in Art. 240 § 7 EGBGB sieht nun folgendes vor:
„Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Bürgerlichen Gesetzbuches, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.“
Der Gesetzgeber hat sich aber nicht nur auf eine Anpassung der materiellen Rechtslage beschränkt, sondern mit der Einführung des § 44 EGZPO im Rahmen des Gesetzes zur Reform der Restschuldbefreiung (s. dazu auch hier) sich auch noch an der Beschleunigung der entsprechenden Prozesse zur (gerichtlichen) Anpassung der Gewerbemiete versucht.
Leider bringt das Bestreben zur prozessualen Beschleunigung aber wenig, da die materielle Norm des Art. 240 § 7 EGBGB schon zu kurz springt. Denn in Folge der Regelung wird lediglich gesetzlich vermutet, dass die Pandemie zu einer wesentlichen Änderung der Geschäftsgrundlage geführt hat. Die Frage aber, ob damit das Festhalten am Vertrag unzumutbar iSd. § 313 BGB wird, hat der Gesetzgeber gerade nicht beantwortet.
Diese Frage beantwortet das OLG Dresden nun mit einer Entscheidung aus dem Februar 2021. Demnach ist dem Mieter einer Gewerbeimmobilie bei einer pandemiebedingten Schließung seines Geschäftslokals das Festhalten am bisherigen Mietzinses nicht zumutbar. Vielmehr sei ein Absenkung der Kaltmiete um 50 % gerechtfertigt, weil keine der Vertragsparteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen hat. Es ist demzufolge angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen. Interessant ist, dass das Gericht obiter dicta, sprich nebenher, feststellt dass es auf die Frage, inwieweit die wirtschaftliche Existenz der belasteten Vertragspartei durch die Störung der Geschäftsgrundlage betroffen wird, nicht ankomme. Das Urteil lässt aber auch erkennen, dass die die Zahlung staatlicher Hilfen an einen der Vertragspartner des Mietvertrages ggf. zu einer anderen Bewertung der Aufteilung führen könne.
Fazit: Soweit so gut. Mit diesen neuen Gesetzen und der sich abzeichnenden entsprechenden höchstrichterlichen Rechtsprechung können Gewerbemieter zumindest eine gewissen Reduktion ihrer Betriebskosten herbeiführen. Die Frage ist aber, ob eine Reduktion auf 50% bei einem Umsatzeinbruch um 100% ausreicht, das Überleben der (wohl vorrangig bedachten) Einzelhändler sicherzustellen.
Ferner dürften etliche Immobilienunternehmen, die ihre Immobilien über Darlehen finanziert haben durch die sich abzeichnende Rechtsprechung ebenfalls in Schwierigkeiten geraten. Denn, da die Regelung des Art. 240 § 3 EGBGB nicht für gewerbliche Darlehensnehmer gilt, sind bankseitige Kündigungen der Darlehen bei Zahlungsausfall möglich.
Insgesamt dürfte es mit der Neuregelung nur zu einem Weiterreichen des Problems von den Gewerbemietern hin zu den finanzierenden Banken kommen – ohne dass eine der Gruppen tatsächlich von den coronabedingten Belastungen befreit würde. Sprich, das Problem wird gerade verschoben, aber nicht gelöst. Das könnte noch politischen Sprengstoff bergen.