Kaum glaubt man, bei einem Blick in die Glaskugel mal einen so einigermaßen verlässlichen Ausblick machen zu können (dass es nämlich auf absehbare Zeit keine stark steigenden Insolvenzzahlen geben dürfte, im letzten Monat, hier), schon schlägt VUCA wieder zu. Und alles ist vielleicht doch wieder anders, als prognostiziert:
Zwar fiel die Zahl der im Juli 2021 beantragten Unternehmensinsolvenzen laut Destatis im Vergleich zum Vormonat erneut um 12,3%, allerdings STIEG die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen (was als Frühindikator für die kommenden Unternehmensinsolvenzen gesehen wird) im September 2021 im Vergleich zum Vormonat um 6% (hier). Auch wenn der IWH-Insolvenztrend nach wie vor von einer Stagnation der Unternehmensinsolvenzen ausgeht (hier), so dürfte auch angesichts der mittlerweile deutlichen Bremsspuren der deutschen Wirtschaft (hier) ein – vielleicht auch nur geringer – Anstieg der Unternehmensinsolvenzen bis zum Jahresende wahrscheinlicher werden. Die Frage ist, ob dieser Anstieg nur eine zwischenzeitliche „Beule“ in einer ansonsten makellosen Abwärtskurve ist oder ob hier eine Trendwende beginnt.
Glaubt man einigen Auguren, so dürfte diese Beule auch in Deutschland Indiz für eine (wenn auch schwache) Trendwende sein: Während die Versicherer Euler Hermes (hier und hier) und Atradius (hier und hier) weltweit von einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen von 15% bzw. sogar 33% (!) in 2022 ausgehen, prognostizieren sie für Deutschland im nächsten Jahr nur einen relativ moderaten Anstieg von 9% (Euler Hermes) bzw. 2% (Atradius) – von einem sehr niedrigen Niveau. In diesem Anstieg und das betonen beide Studien, dürfte auch ein „Nachholeffekt“ von in 2020 und 2021 pandemiebedingt nicht gestellten Insolvenzanträgen stecken.
Die Trendwende könnte verstärkt werden durch anhaltende Knappheiten und (daraus resultierende) inflationäre Tendenzen in der Wirtschaft: So erscheinen derzeit häufiger Meldungen über Unternehmenspleiten im Automobil-Zulieferer-Bereich (Bolta Werke, hier, Heinze-Gruppe, hier, zusammenfassend bei Finance hier, wohl vorwiegend auf (indirekten!) Folgen des Chipmangels beruhend), bei Stromanbietern (s. nur für Smiling Green Energy, hier) oder über einen Gasanbieter (Otima, hier). Schaut man auf das „Massaker“, dass derzeit im britischen Gasmarkt unter Anbietern abläuft (hier), so kann man nur hoffen, dass deutsche Unternehmen besser aufgestellt sind. Dagegen ging der Regionalflughafen Hahn auf Grund der Pleite seines Gesellschafters, der chinesischen HNA-Gruppe, in die Knie (hier).
Scheinbar schon in freudiger Erwartung der kommenden „Pleitewelle“ läuft das Personalkarussell nach den Sommerferien wieder an (s. nur hier, hier, hier und hier). Neben den Wechseln von kompletten Teams sind derzeit aber scheinbar eher „Restrukturierer“ und „Transformierer“ gefragt, denn „Sanierer“ und „Insolvenzverwalter“. Im Falle einer Trendwende im Insolvenzbereich dürfte sich das schlagartig ändern.