Sanierung von Corona-Hilfen durch das StaRUG?

Jedes 4. Unternehmen muss Corona-Hilfen zurückzahlen“ titelte das Handelsblatt unlängst (hier). Zwar werden demnach in 40% der ausgewerteten Fälle sogar Nachzahlungen an Unternehmen fällig, bei einem Viertel der Fälle waren die zunächst angenommenen Umsatzausfälle in den Unternehmen allerdings doch nicht so groß, wie erwartet. Viele dieser Unternehmen dürften die erhaltenen Leistungen allerdings längst im Tagesgeschäft verbraucht haben, so dass sie etwaige Rückforderungsansprüche hart treffen könnten.

Zwar hat eine „außerordentliche Wirtschaftsministerkonferenz“ nach einem Aufschrei der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte (hier) die Verlängerung der Einreichungsfrist für die Schlussabrechnungen der Corona-Wirtschaftshilfen bis zum 30. September 2024 beschlossen (hier). Damit ist nach einer vorherigen Eskalation durch Herrn Habeck (hier) zunächst wieder etwas (nötige) Ruhe in diesem Bereich eingekehrt. Denn bereits ohne derartige Zeitdruck dürften die Rückforderungen von Corona-Hilfen die Insolvenzzahlen nach oben treiben (s. nur hier zum Umfang der Rückforderungen in MVP, hier zu BaWü). Aber aufgeschoben heißt auch hier, nicht aufgehoben. Krisenverstärkend kommt hinzu, dass für von Corona-Maßnahmen betroffene Unternehmen kein Anspruch auf Schadenersatz (hier) oder Anspruch auf Versicherungsleistungen (hier) besteht.

Möglicherweise betroffene Unternehmen dürften gut daran tun, die Ihnen verbleibende Zeit zu nutzen, zu prüfen, ob und wie sie Rückforderungs- und Rückzahlungsansprüche erfüllen können oder ob sie Maßnahmen ergreifen müssen. Zunächst ist zu unterscheiden zwischen den sog. „Corona-Hilfen“ (etwa „Überbrückungshilfe III Plus“ (näher dazu hier), die als verlorene Zuschüsse ausgestaltet waren und „Corona-Krediten“. Der Bund legte während der Pandemie mehrere Kreditprogramme über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auf, um Unternehmen in der schwierigen Situation zu stützen. Die Kredite wurden zumeist durch die Hausbanken ausbezahlt, für die Rückzahlung verbürgte sich die KfW.

Abwehr unberechtigter Rückforderungsansprüche

Während der Rückzahlungsanspruch für die Kredite vertraglich vorgegeben ist (und dem Unterzeichner bislang noch kein Fall bekannt geworden ist, in dem gegen einen solchen Anspruch aus zivilrechtlichen Gründen erfolgreich vorgegangen wurde), ergibt sich der Rückzahlungsanspruch bei überzahlten „Corona-Hilfen“ aus dem jeweiligen Zuwendungsbescheid, der Schlussabrechnung und des Rückforderungsbescheides der zuständigen Behörden. Zahlreiche Unternehmen klagen – zum Teil erfolgreich (s. nur hier) – gegen die Rückforderungsbescheide. Dementsprechend sollten die Geschäftsführer betroffener Unternehmen zusammen mit ihren Steuerberatern und ggf. Hinzuziehung rechtlichen Rates die Rückforderungsbescheide zunächst auf Rechtmäßigkeit prüfen und ggf. (fristgerecht!) Einspruch einlegen. Aber schon bei Beschreitung des – wegen fehlender Abhilfe zu beschreitenden – Klageweges sollten die betroffenen Unternehmen die Auswirkungen der jüngsten Rechtsprechung des BGH zur Entwicklung der Rechtsprechung beachten (s. erneut hier, am Ende mit weiteren Verweisen)

Vergleichsweise Regelung

Eine vergleichsweise Regelung der Rückzahlungsansprüche mit den zuständigen Behörden dürfte – wenn überhaupt – nur im Hinblick auf eine Streckung der Rückzahlungsdauer, sprich eine Ratenzahlungsvereinbarung möglich sein. Derzeit sind noch keine Weisungen der Exekutive zum Umgang mit derartigen Ersuchen bekannt, auf Grund der Relevanz dieser Thematik im Rahmen des EU-Beihilferechts dürften diese aber über kurz oder lang kommen. Die Frage ist, ob Unternehmen so lange warten können.

Restrukturierung nach StaRUG

Sowohl Beihilfen, als auch Kredite, die im Rahmen der Corona-Kredite vergeben wurden, können grundsätzlich über das seit Januar 2021 geltende sog. „Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG“ (Gesetzestext hier, Grundsätze hier, s. auch vertiefend hier) restrukturiert werden, vgl. § 2 StaRUG. Allerdings sind dabei – neben den StaRUG-typischen – einige Hürden zu nehmen:

EU-Beihilferecht

Zunächst ist zu beachten, dass gerade die Corona-Hilfen als Beihilfe im Sinne des EU-Beihilfenrechts zu bewerten sind. Im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens nehmen die entsprechenden Forderungen am Verfahren teil und grundsätzlich reicht die Anmeldung der Forderung im Verfahren aus. Fraglich auf Grund fehlender Rechtsprechung ist allerdings, ob die entsprechende Rechtsprechung des EuGH, wonach die Insolvenz dann auch zur Liquidation des Unternehmens bzw. zur vollständigen Tilgung der des Rückforderungsanspruchs führen muss (EuGH, Urt. v. 13.10.2011 – C 454/09, Rdn. 36, hier) überhaupt auf Restrukturierungsverfahren zu übertragen ist. Aus Vorsichtsgründen empfiehlt sich allerdings, bereits bei der Planung die Kriterien des sog. „private creditor tests“ anzulegen. Eine staatliche Beihilfe liegt demnach nicht vor, wenn das Verhalten des staatlichen Gläubigers bei der Planabstimmung oder sonstigen Verzichtserklärungen mit dem eines privaten Gläubigers, der sich in derselben Situation gegenüber seinem Schuldner verglichen werden kann (vgl. grundlegend EuGH, Urt. v. 21.3.1992 – C 303/88, hier, auf die Besonderheiten dieses Tests soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden).

Einfluss SanInsKG auf Gruppenbildung

Bereits bei Vergabe der Beihilfen befürchtete der Gesetzgeber, dass versucht werden könnte, die anlässlich der Corona-Pandemie gewährten Hilfen im Rahmen gezielter Entschuldungskampagnen einer Rückzahlung zu entziehen (s. nähere Ausführungen bei BT-Drs.  19/25353, S. 16 f, hier). Auf Grund dieser Erwägung wurde die Regelung des heutigen § 7 SanInsKG geschaffen. Demnach ist die Eingruppierung einer Forderung alleine nach dem Kriterium, dass es sich um eine Corona-Hilfe gehandelt hat, nicht zulässig. Eine solche Eingruppierung bleibt allerdings dann möglich, wenn andere anerkannte sachliche Kriterien zur Eingruppierung herangezogen werden.

Fehlendes Krisenfrüherkennungssystem?

Zudem sollten Unternehmen gerade im Rahmen von Rückforderungen überzahlter Corona-Hilfen eine wichtige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Werkzeuge des StaRUG beachten: Sie müssen  zumindest drohend zahlungsunfähig nach § 18 InsO, dürfen aber bei Verfahrenseinleitung noch nicht zahlungsunfähig nach § 17 InsO sein, vgl. § 29 StaRUG. Diese Zugangshürde gilt zwar nicht nur für die Rückforderung von Corona-Hilfen, kann aber eine Restrukturierung über das StaRUG gerade in diesen Fällen verhindern: Spätestens zu dem Zeitpunkt, an dem die Bestandskraft eines Rückforderungsbescheides eintritt, dürfte der Rückzahlungsbetrag in der Regel in voller Höhe fällig sein – was dann – ebenfalls regelmäßig – zum unmittelbaren Eintritt der Zahlungsunfähigkeit führen dürfte. Mit der Folge, dass der Weg der Restrukturierung über das StaRUG versperrt, die Geschäftsführung vielmehr nach § 15a InsO verpflichtet ist, unverzüglich, aber spätestens innert drei Wochen Insolvenzantrag zu stellen. Im Grundsatz gelten diese Ausführungen natürlich auch für die ratierliche Rückzahlung von Corona-Darlehen – auch hier sollte die Geschäftsführung eine Liquiditätsplanung vorhalten, die ihr ermöglicht, den potentiellen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit frühzeitig – das heißt mindestens 24 Monate im Voraus (!) zu erkennen. Eine derartige (rollierende) Liquiditätsplanung sollte aber sowieso Teil des nach § 1 StaRUG erforderlichen Krisenfrüherkennungssystems sein.

Fazit

Ja, die Sanierung von Corona-Beihilfen wie auch -Krediten ist über das StaRUG möglich. Allerdings sind neben den Anforderungen des noch jungen und deswegen teilweise noch nicht mit einer gefestigten Rechtsprechung unterlegten StaRUG selber auch spezifische Anforderungen an die Restrukturierungen der während der Corona-Pandemie ausgereichten Finanzmittel zu beachten. Daneben spielt der Faktor Zeit eine wesentliche Rolle, denn die Nutzung des Instrumentenkastens des StaRUG ist nur bei einer frühzeitigen Realisierung der Krise und darauf folgenden zügigen Einleitung der erforderlichen Prüfung und Planung durch die Geschäftsführung möglich. Vor diesem Hintergrund sollte die Geschäftsführung von Unternehmen die erneut gewährte Fristverlängerung nutzen, um schon im Rahmen der Aufstellung der Schlussabrechnungen der Corona-Hilfen die Wahrscheinlichkeit von Rückforderungen und dann ggf. auch die Möglichkeit der Einleitung von Restrukturierungsmaßnahmen bereits in diesem Stadium prüfen.

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