Das „Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen“ (GeschGehG) ist am 26. April 2019 in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz hat der deutsche Gesetzgeber (mit über einem drei viertel Jahr Verspätung) die sog. „Know How-Richtlinie“ der Europäischen Union in deutsches Recht umgesetzt und damit zum einen dieses bislang vorwiegend in den nebenstrafrechtlichen Regelungen der §§ 17 bis 19 UWG geregelte Rechtsinstitut insbesondere zivilrechtlich erweitert und zum anderen die vorstehenden Normen des UWG durch ein eigenständiges Regelungswerk ersetzt.
Die ersten Praxiserfahrungen deuten auf einen erheblichen Paradigmenwechsel in diesem Bereich hin, wie die nachfolgend herausgegriffenen Teilaspekte belegen.
1. Die erste – äußerst (!) – praxisrelevante Neuerung findet sich direkt bei der Legaldefinition des Geschäftsgeheimnisses. Während der BGH – mangels anderweitiger gesetzlicher Definition – das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis noch als „jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll.“ definierte, verengt die neue Legaldefinition des § 2 Abs. 1 GeschGehG den Anwendungsbereich erheblich. Demnach ist ein Geschäftsgeheimnis nämlich nur eine Information,
- die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und
- die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und
- bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
Im Gegensatz zur vorherigen (weiteren) Definition liegt also schon kein Geschäftsgeheimnis vor, wenn die betreffende Information nicht aktiv durch „Geheimhaltungsmaßnahmen“ geschützt wird. Das mag sich für Konstruktionsskizzen für den nächsten Porsche normal anhören. Vergegenwärtigt man sich jedoch den Sachverhalt der unten näher bezeichneten Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 2007, das in den Kundenlisten problemlos ein Geschäftsgeheimnis erkannte, ohne etwaige Sicherungsmaßnahmen überhaupt zu prüfen, dann ist offensichtlich, dass seit April 2019 ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat und ein strengerer Maßstab schon an das Vorhandensein eines Geschäftsgeheimnisses gestellt werden dürfte, als zuvor.
2. Auch deswegen dürfte nach In-Kraft-Treten des GeschGehG ein Vertrauensbruch bei der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen an Dritte, z.B. im Rahmen einer Due Diligence bei einem Unternehmenserwerb, nicht mehr so ohne weiteres sanktionierbar sein. So führte nach bisherigem Verständnis (s. nur BGH, 2012, unten) unter Geltung des § 17 UWG die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen an Dritte selbst ohne Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung nicht zum Entfallen des gesetzlich verankerten Schutzes. Nunmehr dürfte die Weitergabe von schützenswerten Informationen an Dritte ohne entsprechende Vertraulichkeitsvereinbarung (zumindest bis zu den ersten obergerichtlichen Entscheidungen) dagegen möglicherweise zu einem Schutzverlust führen.
3. Schon weil die Beweislast für den Schutz der betreffenden Information als Geheimnis im Zweifel beim Unternehmen liegt, das eine Verletzung behauptet, bietet es sich an, den Geheimnisschutz im Unternehmen zu systematisieren und in einem entsprechenden Schutzkonzept zu dokumentieren. Ob darüber hinaus – wie in einigen Fachartikeln bereits zu lesen – die unternehmensinterne Berufung eines oder einer „Geheimnisschutzbeauftragten“ (analog etwa dem / der Datenschutzbeauftragten) erforderlich ist, wird sich nach der Unternehmensgröße, der Relevanz der schutzwürdigen Informationen für den Fortbestand des Unternehmens und nach der sich entwickelnden Judikatur richten (müssen).
Schon die hier erläuterten Teilbereiche zeigen deutlich den sich anbahnenden auch praktischen Paradigmenwechsel. Die bisherige Rechtsprechung zu dieser Thematik dürfte nur noch bedingt anwendbar sein und – wie bei der Einführung der DSGVO – wird sich die hierdurch erzeugte Rechtsunsicherheit erst mit der Zeit wieder legen. Bis dahin sollten die Verantwortlichen in den Unternehmen im Hinblick auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen lieber „eine Schippe drauflegen“, denn nachher Gegenstand einer obergerichtlichen Rechtsprechung zu werden.
Gesetzentwurf BReg (Drs. 19/4724) vom 18.10.2018 (mit Begründung)
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.2.2007 – Düsseldorf, III-5 Ss 163/06 – 59/06 I