StaRUG – Sanierungsmoderation, eine Option?

Auch viereinhalb Monate nachdem das „Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz“ (StaRUG) zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist, halten sich die Meldungen über entsprechende Verfahren (noch?) in Grenzen (s. aber z.B. hier eine Entscheidung des AG Köln). Allerdings dürfte der wachsende Restrukturierungsdruck nach dem endgültigen Auslaufen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht dazu führen, dass Unternehmer vermehrt ihre verbleibenden Optionen prüfen werden. Eine Option könnte die sog. „Sanierungsmoderation“ sein, die bereits vor den eigentlichen Instrumenten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach den §§ 2 ff. StaRUG  eingeleitet werden kann.

Hintergrund

Die in Teil 3, §§ 94 – 100 StaRUG, enthaltenen Regelungen zur Sanierungsmoderation gehen nicht auf die entsprechende EU-Richtlinie zum „präventiven Restrukturierungsrahmen“ zurück (s. dazu hier), sondern lehnen sich an das französische Schlichtungsverfahren der „procédure de conciliation“ an (s. zu diesem Verfahren bereits Beissenhirtz, ZInsO 2011, 57, 64, hier). Dementsprechend soll dem Schuldner nach der Begründung des RegE zum SanInsFOG, S. 216, deswegen „unabhängig vom Restrukturierungs-und Stabilisierungsrahmen und dessen Instrumenten die  Möglichkeit eröffnet  werden, im Falle von wirtschaftlichen oder  finanziellen Schwierigkeiten durch Inanspruchnahme eines gerichtlich bestellten Sanierungsmoderators […] Unterstützung bei der Ausarbeitung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten erhalten, insbesondere um einen Sanierungsvergleich zu schließen.“ Gerichtet ist diese Verfahrensart insbesondere an Kleinst- und kleine Unternehmen, die sich eine Beratung und Unterstützung durch professionelle Sanierungsberater zur Herbeiführung einer freien Sanierung nicht leisten können.

Verfahren

Die Sanierungsmoderation wird durch einen Antrag des (restrukturierungsfähigen) Schuldners auf Bestellung eines Sanierungsmoderators an das für Restrukturierungssachen zuständige Gericht eingeleitet, vgl. §§ 94, 30, 34 StaRUG. Da die Gesetzesbegründung davon spricht, dass die Sanierungsmoderation auch „als Vorstufe zur möglichen Inanspruchnahme von  Instrumenten  des  Stabilisierungs-und  Restrukturierungsrahmens“ (Begründung des RegE zum SanInsFOG, S. 216) anwendbar ist, wird vertreten, dass der Schuldner zwar generell „restrukturierungsfähig“ im Sinne von § 30 StaRUG sein, allerdings noch keine drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegen müsse. Die Praxis wird weisen, ob zum einen die Gerichte diese denkbare weitere zeitliche Vorverlagerung des Eintrittszeitpunkts in den präventiven Restrukturierungsrahmen überhaupt erlauben werden und zum anderen, inwieweit Gläubiger bereit sind, diesen Schritt dann auch mitzugehen.

Das Gericht bestellt auf Antrag des Schuldners, wenn dieser nicht nach § 94 Abs. 1 S. 2 StaRUG „offensichtlich“ zahlungsunfähig oder überschuldet ist, ohne öffentliche Bekanntmachung einen Sanierungsmoderator zunächst für die Dauer von drei Monaten, wobei eine Verlängerung um weitere bis zu drei Monate möglich ist, vgl. § 95 StaRUG

Als „Sanierungsmoderator“ kann das Gericht nach § 94 Abs. 1 S. 1 StaRUG jede „geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person“ bestellen. Die auch ansonsten im StaRUG anzutreffende Analogie zur Auswahl des Insolvenzverwalters, vgl. § 74 StaRUG, setzt sich auch beim Sanierungsmoderator fort, wobei er nicht zwingend einer bestimmten Berufsgruppe angehören oder beim bestellenden Gericht gelistet sein muss. Der Sanierungsmoderator steht unter der Aufsicht des Gerichts und muss diesem monatlich Bericht insbesondere über den (voraussichtlichen) Fortgang der Verhandlungen erstatten, vgl. § 96 Abs. 3 StaRUG und hat (unverzüglich) den Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung anzuzeigen, vgl, § 96 Ab. 4 StaRUG.

Aufgabe des Sanierungsmoderators ist es, zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern bei der Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten zu vermitteln, vgl. § 96 Abs. 1 StaRUG. Die „Lösung“ im Sinne der Norm dürfte zumeist in der Ausarbeitung, Verhandlung und dem Abschluss eines Sanierungsvergleichs nach § 97 Abs. 1 StaRUG liegen, aber dies ist nicht zwingend. Grundsätzlich gilt für den Sanierungsvergleich die Vertragsfreiheit, so dass – auf konsensualer Grundlage – alle vertraglich zulässigen Regelungen, auch unter Einbeziehung Dritter, vereinbart werden können. Der Sanierungsvergleich sollte schon aus Gründen der Haftungsreduzierung und nicht nur,  wenn der Vergleich gerichtlich bestätigt werden soll, auf einem Sanierungskonzept beruhen, vgl. § 97 Abs. I S. 1 StaRUG. Dementsprechend dürfte der wesentliche Unterschied zu den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen außergerichtlichen Sanierung (s. auch hier) in der Einschaltung des Gerichts bestehen.

Die Einschaltung des Gerichts kann für Gläubiger und Schuldner handfeste Vorteile bieten, denn nach der gerichtlichen Bestätigung ist der Sanierungsvergleich nur noch nach § 97 Abs. 3 iVm. § 90 StaRUG anfechtbar. Dies ist gegenüber der reinen außergerichtlichen Sanierung mit ihren teils immensen Anfechtungsrisiken ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Fazit

Nach Jahren der Untätigkeit im Bereich der „vorinsolvenzlichen Sanierung“ überrascht die Initiative des Gesetzgebers, mit der Schaffung der Sanierungsmoderation sogar über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinauszugehen, durchaus positiv. Der Erfolg dieser Initiative hängt nunmehr von der Einstellung der Restrukturierungsgerichte zu dieser neuen Verfahrensart ab. Denn je nach Auslegung durch die Gerichte könnte sich die Sanierungsmoderation als mehr oder minder eigenständiges „vor-vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren“ etablieren oder als bedeutungsloses Instrument im „Werkzeugkasten“ der Sanierer verblassen. Das beginnt schon mit dem als zulässig geltenden Zeitpunkt, ab dem das Verfahren eingeleitet werden kann. Sollten die Gerichte tatsächlich die Einleitung der Sanierungsmoderation bereits vor Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit zulassen, so könnte sich ein Sanierungsverfahren etablieren, mit dem die Überleitung von einer rein konsensual zu betreibenden außergerichtlichen Sanierung zu einem schon konfrontativeren Restrukturierungsverfahren nach den §§ 2 ff. StaRUG „sanft“ erreicht werden kann. Denn allein durch die Einleitung dieses Verfahrens (und der Möglichkeit der Überleitung in den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach § 100 StaRUG) wird für die Gläubiger eine nicht zu unterschätzende Drohkulisse aufgebaut.

Wie so häufig, so gilt auch hier allerdings, dass „nach der Reform vor der Reform“ ist. Denn der Gesetzgeber wird nicht umhin kommen, die Regelungen der Sanierungsmoderation zumindest insoweit den Regelungen an die für den Restrukturierungsbeauftragten, s. dort § 74 Abs. 2 StaRUG, anzunähern, als dass es dem Schuldner ermöglicht wird, den Sanierungsmoderator „mitzubringen“. Umgekehrt dürfte auch die Möglichkeit des Schuldners, durch einen (nicht begründungsbedürftigen!) Antrag nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG den Sanierungsmoderator jederzeit durch das Gericht abberufen zu lassen, die tatsächliche Unabhängigkeit des Moderators im Zweifel in Frage stellen.

Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22. Dezember 2020 (BGBl 2020, Teil I, S. 3256)

Konsolidierter Text StaRUG: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0701-0800/762-20.pdf?__blob=publicationFile&v=1

RegE eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (mit ausführlicher Begründung des Gesetzesvorhabens)

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