Factoring als Finanzierungsinstrument hat auch während der Corona-Pandemie verstärkten Zulauf erfahren, wie der Deutsche Factoring Verband untermauert: „Die Umsätze der Mitglieder des Deutschen Factoring-Verbandes stiegen im ersten Halbjahr 2021 von 134,9 Mrd. auf 146,5 Mrd. Euro, ein Plus von 8,6 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum (1. Halbjahr 2020)“ (hier). Vor diesem Hintergrund beleuchte ich in einem weiteren Artikel aus meiner Serie zu „Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung“ – nach Sale and Lease Back (hier), Schuldscheindarlehen (hier) und Unternehmensanleihen (hier) diesmal das Factoring.
Grundlagen
Factoring ist nach einer gängigen Definition die gewerbliche, revolvierende Übertragung (Verkauf) von Forderungen eines Unternehmens gegen einen oder mehrere Forderungsschuldner (Debitoren) vor Fälligkeit an ein Factoringunternehmen. Das Factoring stellt somit ein Instrument der kurzfristigen Außenfinanzierung durch Forderungsverkauf dar und führt zu einer schnellen Liquiditätsgenerierung und somit zu einer Unabhängigkeit von Kreditfinanzierungen durch Banken. Es wird dabei zwischen dem sog. „echten“ Factoring, bei dem auch das sog. „Delkredere-Risiko“, also das Risiko des Ausfalls der Forderung, vom Factor übernommen wird, und dem sog. „unechten“ Factoring unterschieden, bei dem das Delkredere-Risiko beim Verkäufer verbleibt. Es existieren verschiedene weitere „Unterarten“ des Factoring, auf die in dieser Grundlagendarstellung zunächst nicht weiter eingegangen werden soll.
Der Kaufpreis für die Forderungen entspricht normalerweise dem Bruttobetrag der Forderungssumme abzüglich diverser mit dem Factoringunternehmen vereinbarter Gebühren und Zinsen. Bedenkt man, dass teure Anbieter teils über 5% Zinsen verlangen (s. nur hier), wird deutlich, dass die durch das Factoring generierte zusätzliche Liquidität – genau so wie beim Leasing – gewöhnlich zu Lasten der Rentabilität gehen wird. Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass sich- da die verkauften Forderungen nicht mehr im Unternehmen zu bilanzieren sind – die Bilanzsumme reduziert und sich (bei unterstellt ansonsten gleichbleibenden) Eigenkapital die Eigenkapitalquote erhöht. Das führt gewöhnlich zu einem verbesserten Unternehmensrating und deswegen möglicherweise verbesserten Kreditbedingungen. Auch sind neben dem Verkauf der Forderungen keine weiteren Sicherheiten zu stellen.
Der Factoringvertrag ist gesetzlich nicht gesondert normiert, grundsätzlich handelt es sich um einen Rechtskauf nach § 453 BGB. Seit 2009 unterliegen Unternehmen, die Factoring-Leistungen anbieten, als Finanzdienstleistungsinstitute nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin). Auf Grund der entsprechend hohen Markteintrittshürde sind die größten in Deutschland tätigen Factoringunternehmen Tochtergesellschaften von Banken.
Marktentwicklung
Nicht erst seit Corona entwickelt sich Factoring – wie eingangs geschildert – zu einem dynamisch wachsenden Segment im Markt der Unternehmensfinanzierungen. Nach Angaben von Statista (hier) betrug die sog. „Factoring Quote“, also das Verhältnis zwischen dem angekauften Forderungsvolumen der deutschen Factoring-Institute und dem Bruttoinlandsprodukt, nach einem stetigen Anstieg in den Vorjahren m Jahre 2020 bereits 8,4% (hier). Mit über 95% machten im Jahre 2020 (typische KMU-) Unternehmen im Segment bis 10 Mio. Euro Factoring-Umsatz den Löwenanteil des gesamten Umsatzes der Branche aus (hier).
Factoring in der Krise
Auf Grund eines BGH-Urteils aus dem Jahre 2014, wonach „der vom Lieferanten abgeleitete Eigentumsvorbehalt des Factors im Rahmen eines echten Factoringvertrags in der Insolvenz des Forderungsschuldners zur Aussonderung des Vorbehaltseigentum [berechtigt]“ hat sich das Factoring als probates Mittel zur Liquiditätssicherung von Unternehmen auch in der Krise etabliert. Denn auf Grund dieser Rechtsprechung ist das Factoringunternehmen zu einem gewissen Grad gegen das beim echten Factoring übernommene Delkredere-Risiko geschützt.
Fazit
Auch das Factoring hat seinen Platz im Finanzierungsmix eines mittelständischen Unternehmens. Beim Einsatz des Finanzierungsinstruments müssen natürlich wie bei anderen Finanzierungsinstrumenten auch – situationsabhängig – die Chancen und Risiken abgewogen und die konkreten Auswirkungen auf Liquidität und Rentabilität des Unternehmens berechnet werden. In der Unternehmenskrise – wenn also „Liquidität vor Rentabilität“ gilt – kann das Factoring den Weg zu schneller Liquiditätsgenerierung ebnen.