Und gerade, wenn man denkt, „Trendwende“ wäre nur ein weiteres Buzzword im „Werkzeugkasten“ des Marketingfachmanns, dann könnte sie um die Ecke kommen: Schrieb ich noch im letzten Monat, dass „zumindest für die nächsten Monate kein nennenswerter Anstieg der Insolvenzen zu erwarten sein“ dürfte (hier), kann ich diese Prognose wohl gleich wieder kassieren. Es geht aufwärts – und möglicherweise nicht nur in diesem Monat.
Der Grund für meine Meinungsänderung liegt weniger darin begründet, dass die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen (die auch die Anträge für Unternehmen beinhalten) laut Destatis im März 2022 um sage und schreibe 27% gestiegen ist (hier), und auch der IWH-Insolvenztrend eine deutliche Steigerung bei den Unternehmensinsolvenzen für den März vermeldet (hier). Denn derartige Anstiege haben sich in der Vergangenheit stets als statistische Ausrutscher und nicht als nachhaltige Trendwende entpuppt (s. nur hier). Aber jetzt kommt das Aber: Wie der Insolvenzmonitor in der Return 2/22 meldet (hier, neue Ausgabe 2/22 ist noch nicht online), steigt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in der Schweiz und Österreich bereits seit (Ende) 2021 signifikant an. Begründet wird dies mit dem Auslaufen der Corona-Schutzmaßnahmen.
Mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung dürfte sich das Auslaufen der Corona-Maßnahmen dementsprechend wohl auch bei den Unternehmensinsolvenzen in Deutschland bemerkbar machen. Daneben könnte sich der (Ukraine-) „Krieg zum Treiber der Insolvenzen“ entwickeln, wie Creditreform vermutet (hier). Vor allem aber dürfte die (losgaloppierende?) – und durch den Krieg wohl weiter beschleunigte – Inflationsentwicklung (Deutschland, März 2022, +7,3%, hier) als weitaus stärkerer und nachhaltigerer „Insolvenztreiber“ wirken. Diese Inflation dürfte zumindest über die kommenden Monate nicht mehr in dem Sinne „einzufangen“ sein, als dass sie sich zumindest wieder der von der EZB gewünschte Marke von 2% annähert. Und die Inflationsentwicklung dürfte der wahre „Game-Changer“ bei den Unternehmensinsolvenzen sein. Zwar haben die Herren Minister Habeck und Lindner jüngst ein neues Hilfspaket für vom Krieg betroffene Unternehmen aufgelegt (hier), welches sich zum Entlastungspaket der Bundesregierung addieren wird (hier), dies dürfte aber die stark inflationären Tendenzen – wenn überhaupt – dann nur geringfügig abmildern. Und selbst ein schnelles Kriegsende in der Ukraine wird wahrscheinlich nicht eine durchgreifend inflationsmindernde Wirkung entfalten. Vor diesem Hintergrund könnten wir gerade Zeuge einer tatsächlichen Trendwende werden. Die nächsten Monate werden es zeigen.
Derweil positionieren sich die wichtigen „Player“ am Markt weiter für die nun vielleicht doch kommende Insolvenzwelle: Nachdem im Vormonat die Auflösung der bekannten Insolvenzkanzlei Leonhard Rattunde publik wurde, hat sich jüngst die Sanierungsboutique „Restrukturierungspartner“ Deloitte angeschlossen (hier). Der Trend zu immer größeren Einheiten scheint sich auch der Restrukturierungs- und Insolvenzszene immer weiter durchzusetzen.
Die aktuellen Großinsolvenzen entwickeln sich auch, sagen wir, etwas skurril: Während Lichtmiete („raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffeln“) aus der Rücknahme des Insolvenzantrages im Vormonat gleich wieder in eine (jetzt aber „starke“ vorläufige) Insolvenz fällt (hier), könnten die MV Werften von der deutschen Zeitenwende in der Sicherheitspolitik profitieren – die Bundeswehr prüft laut Zeitungsberichten eine Übernahme (hier).