Seit Januar kreist (wie hier angekündigt) der Insolvenz-Hammer, wie auch die aktuellen Zahlen von Destatis belegen, das (von einem schon nicht mehr ganz niedrigen Niveau) eine Zunahme der Regelinsolvenzen (die auch die Unternehmensinsolvenzen beinhalten) im Januar um weitere 26,2% im Vergleich zum Vorjahr meldet. Demnach ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im November 2023 um weitere 15,3% im Vergleich zum Vorjahr gestiegen (bei gleichzeitigem Rückgang der Verbraucherinsolvenzverfahren um 1%!). Nach dem IWH-Insolvenztrend deutet sich an, dass die Unternehmensinsolvenzen im Januar zwar auf dem Niveau vom Dezember verharren, damit aber 40% (!) höher ausfallen, als im Januar des Vorjahres.
Aktuelle Fälle
Wie immer finde man bei Juve (hier) und Finance-Magazin (hier und aktuell hier) einen guten Überblick über das aktuelle Insolvenzgeschehen. Und den Überblick zu behalten, fällt bei den zahlreichen Insolvenzmeldungen dieser Tage ziemlich schwer. So stellte noch Ende Januar mit „The KaDeWe Group GmbH“, die noch zu 49% der Anteile zum Benko/Signa-Reich gehört, Insolvenzantrag beim AG Charlottenburg (hier). Derweil kommen Zweifel auf, ob die bereits Anfang Januar in die Insolvenz gefallene Galeria Karstadt Kaufhof tatsächlich beim Insolvenzantrag „pleite“ war (hier). Wäre ja auch eine Ironie der Geschichte, wenn der Warenhauskonzern trotz aller Totschreibungen des Einzelhandels doch überleben könnte. Denn auch, wenn es mit der Totalliquidation von Hallhuber (hier), der Lila Bäckerei (hier), der Insolvenz von Arco & Co. (hier) gleich auch noch weitere Filialisten erwischt hat, so könnte der Schuh-Händler Deichmann als Beispiel für die Schumpetersche „Kreative Zerstörung“ dienen (hier).
Aber auch in der deutschen Produktionslandlandschaft kreist der Hammer – Die Insolvenz des Traditions-Glasherstellers Ritzenhof (hier) dürfte allerdings weit weniger strukturelle Auswirkungen haben, als die Insolvenz der Automobilzulieferer 595 Solutions (hier) und Hasenclever (hier). Dazu addieren sich Stellenstreichungen, etwa bei Continental (hier). Die Immobilienpleite dieses Monats wird Ihnen präsentiert vom Elbtower (hier, ebenfalls zur Signa-Gruppe gehörend). Dass die aktuellen Fälle in dieser gerade in den letzten Jahren durch „billiges Geld“ aufgepumpten Branche nicht spurlos an den Immobilienfinanzieren vorbeigehen würde, war klar und mit One Group (hier) gibt es nun ein erstes prominentes Opfer. Die Frage ist, ob sich die Adler Group nach dem Scheitern der Restrukturierung über ein englisches „scheme“ (hier, s. zum Verfahren zuvor hier) in diesem schwierigen Markt noch wird retten können. Aus den üblichen „gut informierten Kreisen“ war aber zu hören, dass Adler die Finanzierungsbedingungen mit den Anleihegläubigern unabhängig von der englischen Entscheidung zwischenzeitlich neu verhandelt habe und auch die Fortbestehensprognose sich zuletzt positiv darstellte. Dann hoffen wir mal, dass die entsprechende Pressemitteilung (hier) das Jahr über belastbar bleibt.
Die Start-up-Pleite dieses Monats wird Ihnen durch das Umzugs-Startup Movinga (hier) präsentiert. Wenig verwunderlich ist dementsprechend, dass deutsche Unternehmen derzeit die europäische „Krisen-Hitliste“ anführen (hier und hier). Jenseits der offiziellen Insolvenzmeldungen scheint zunächst der positive Saldo zwischen der Zahl von Unternehmensgründungen und den Gewerbeabmeldungen hoffnungsvoll zu stimmen (hier), allerdings befindet sich die Zahl der Unternehmensgründer seit über 20 Jahren im Sinkflug (wie diese Grafik hier deutlich macht) und zahlreiche existierende Unternehmen finden auch keine Nachfolger (hier). Die De-Industrialisierung Deutschlands schreitet dementsprechend voran: „Laut einer Befragung der Wirtschaftsprüfungsfirma Deloitte und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) verlagern aktuell bereits 67 Prozent der Unternehmen Produktionen ins Ausland – vor allem in den Schlüsselbranchen Maschinenbau/Industriegüter, Chemie und Automobil. „Die Deindustrialisierung findet bereits in erheblichem Umfang statt. Wenn die Rahmenbedingungen so bleiben, werden sehr wahrscheinlich mehr Unternehmen folgen und zunehmend wichtigere Teile der Wertschöpfung abwandern“ (hier). Hinter diesen Zahlen stehen Unternehmen, wie Stihl (hier) oder Miele (hier), aber auch der Freiberger Solar-Modul Produzent Meyer Burger (hier).
Blick ins Ausland
In den USA hat die Anzahl der gewerblichen Insolvenzen („Business Filings“) im Jahre 2023 um über 40% zugelegt (hier) – die Frage ist, wie das zu der vorherigen (auch von mir verlinkten) Meldung passt, wonach die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in den USA im gleichen Zeitraum um 72% (!) zugelegt haben soll (hier). Klar ist aber – die Zahlen steigen drastisch und eine Trendwende ist auch in den USA nicht absehbar.
Zwar stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in England und Wales im Dezember selbst nur noch um 2% (hier), über das ganze Jahr 2023 hinweg erreichte die Zahl der Unternehmensinsolvenzen allerdings mit einer Steigerung von über 13% einen seit 1993 nicht mehr gesehenen Rekordstand (hier und hier). Gleich zu Beginn des Jahres hat mit The Bodyshop auch gleich eine bekannte britische „High-Street-Marke“ Insolvenzantrag gestellt (hier, hier und hier).
In Bezug auf die Schweiz hatte ich fehlerhafter Weise in meinem letzten Posting einen Rückgang der Unternehmensinsolvenzen in 2023 um 1% gemeldet, tatsächlich ist die Zahl aber um 8% gestiegen (hier und hier die Originalmeldung). Wer (richtig) lesen kann, ist klar im Vorteil. Auch im Januar 2024 ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 4% im Vergleich zum Vormonat gestiegen (hier). Neue Zahlen aus Österreich liegen dagegen noch nicht vor – aber zumindest ein Insolvenzantrag gegen Herrn Benko (hier).
Der Beschluss eines Hongkonger Gerichts, den Immobilienentwickler Evergrande abzuwickeln, dürfte nicht nur die chinesische Immobilienkrise treiben, sondern auch weltweite Auswirkungen haben (FT hier, WiWo, hier).
Prognosen anderer – können wir diesen Monat kurz fassen, Roland Berger geht davon aus, dass sich aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen auch in den kommenden Monaten „weiter erhöht“ (hier). Mehr war im Blätterwald nicht ersichtlich.
Fazit: Der Insolvenz-Hammer kreist, so, weit, so schlecht. Aber auch der Ausblick wäre mit „verhalten“ noch zu positiv beschrieben. Die Bundesregierung, die ihre Wachstumsprognose für 2024 gerade um über ein Prozent auf nur noch 0,2% nach unten korrigiert hat (hier) ist zumindest mittlerweile deutlich realistischer geworden, aber im Vergleich zu anderen Institutionen immer noch ziemlich optimistisch (s. zur Übersicht hier). Dementsprechend hart fällt das Urteil der WiWo aus: „Die Lage ist noch schlimmer als befürchtet“ (hier), eine Ansicht, die ich vollumfänglich teile (hier). In Folge der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung dürfte die Zahl der Insolvenzen auch in Deutschland in 2024 weiter nach oben gehen – und im Zuge dessen auch die Zahl der Arbeitslosen. Ich würde nicht ausschließen, dass sich am Ende des Jahres die Arbeitslosenzahl wieder der Marke von 7% annähert (s. schon hier) und sich mithin der Narrativ vom „Jobwunder trotz Rezession“ (z.B. hier) als das entpuppt, was er immer war – eine Illusion. Spätestens 2025 dürften dann auch bei Bewerbungsverfahren im hippen Berlin wieder Krawatten in Mode kommen.