Nach Destatis ist im Oktober die Zahl der Regelinsolvenzen um 22,4% gestiegen, die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist laut IWH-Insolvenztrend im selben Zeitraum um 44% gestiegen (jeweils im Vorjahresvergleich). Destatis konstatiert dementsprechend, dass „seit Juni 2023 durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten“ sind, während das IWH „für die kommenden Monate […] wieder mit erheblich steigenden Insolvenzzahlen“ rechnet.
Aktuelle Fälle
Wie immer gewähren Juve (hier) und Finance-Magazin (hier) einen guten Überblick über das aktuelle Insolvenzgeschehen. Das in Zusammenarbeit vom Finance-Magazin und SMP erstellte 23. Restrukturierungsbarometer bestätigt zudem den Trend kräftig steigender Zahlen bei Restrukturierungen (hier): „Aktuell haben das 67 Prozent der Umfrageteilnehmer bestätigt (Frühjahr 2023: 55 Prozent), so viele wie noch nie seit Beginn der Erhebung im Frühjahr 2013.“ Der prominenteste Fall dabei dürfte der (tiefe) Fall des vormaligen Investoren-Darlings René Benko und seiner Signa Holding sein (Ticker hier bei Finance-Magazin). Die bislang vereinzelten Pleiten von Unternehmen aus dem Konglomerat (Tennis Point, hier, und Internetstores (u.a. fahrrad.de), hier) sind nur die Spitzes des Eisbergs, wie der Wechsel an der Spitze der Holding von Herrn Benko auf den Sanierungsexperten Arndt Geiwitz (hier) belegt. Letzterer will bis Ende November einen Restrukturierungsplan vorlegen – möglicherweise auch, um die Fälligkeit einer Anleihe-Rückzahlung in Höhe von Euro 200 Mio. „einzufangen“. Zahlreiche deutsche und österreichische Banken und Versicherungen sind mit teils dreistelligen Millionenbeträgen „investiert“ (hier). Dabei ist die Werthaltigkeit dieser Investments fraglich (hier), weswegen die EZB wohl bereits deutliche Abschreibungen fordert (hier). Da dürfte also noch einiges kommen.
Ansonsten warnt der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft vor zahlreichen Krankenhausinsolvenzen (hier), was angesichts der Fälle in den letzten Monaten und der wohl eher sub-optimal gelungenen Reformpläne von Herrn Lauterbach (hier) zwar nicht weiter verwundert, aber wohl auch nicht mit einem Schulterzucken hingenommen werden sollte (was Herr Lauterbach hier tut) – zumal sich die öffentliche Finanzlage seit dem Urteil des BVerfG zum Nachtragshaushalt (hier) wohl nicht verbessert haben dürfte. Auch hier dürften wir in den nächsten Monaten noch viel neues lernen.
Mit dem Modeanbieter Peter Hahn geht der nächste Online-Versandhändler in die Insolvenz (hier). Neben dieser weiteren wenig überraschenden Pleite im Mode-Bereich, mehren sich die Zeichen, dass auch im für die weitere Entwicklung der Volkswirtschaft so wichtigen Start-up-Sektor die Krise gerade voll durchschlägt: Dabei ist das Robotik-Startup Franka Emika (hier) nur eine von vielen aus der Rekordzahl derer, die d in die Insolvenz schlittern, weil die Anschlussfinanzierungen nicht mehr klappen (hier).
Blick ins Ausland
In den ersten neun Monaten des Jahres ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in England und Wales um 19% gestiegen (s. auch hier), im Oktober scheint der Trend zumindest unterbrochen zu sein (hier). Demgegenüber sind die Unternehmensinsolvenzen in den USA in den 12 Monaten bis Oktober 2023 um 30% gestiegen (hier). Prominentester Fall darunter ist natürlich die Pleite des Shared-Office-Betreibers WeWork (hier und hier). Diese Pleite dürfte über die USA hinaus auch Auswirkungen auf die Büro-Mieten in Deutschland entfalten – und damit den eh schon flauen Immobiliensektor weiter negativ beeinflussen. Demgegenüber soll die Zahl der Insolvenzen in der Schweiz in 2023 nach ersten Schätzungen „nur“ um weitere 8% steigen (nach +32% in 2022). Auch in Österreich scheint man den Höhepunkt der Insolvenzwelle durchschritten zu haben: Dort rechnet man mit einem Anstieg der Insolvenzen um weitere 10% für 2023 – nach +57% (!) in 2022.
Prognosen anderer
Das bereits oben zitierte Restrukturierungsbarometer (vollständig hier) vermeldet nicht nur aktuell einen starken Anstieg der Restrukturierungsfälle (alleine die Signa-Gruppe dürfte dazu einen signifikanten Anteil beitragen), die befragten Experten gehen auch von einer weiteren deutlichen Zunahme der Fallzahlen aus. Während sich der VID immer noch tapfer gegen eine Insolvenzwelle stemmt (hier), ist diese bei den Medien längst angekommen: „Die Pleitewelle unter deutschen Unternehmen rollt“ (ZDF, hier).
Fazit: Schaut man auf die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung der Republik (zuletzt hier), die Entwicklung der Leitzinsen (hier) sowie darauf, dass z.B. die Mehrwertsteuer bei Restaurants ab Januar wieder von 7% auf 19% angehoben (hier) und die LKW-Maut nahezu verdoppelt wird (hier), während potentielle „Lokomotiven der Weltwirtschaft“ schwächeln (hier), dann fehlt zumindest mir so ein bisschen der Glaube daran, woher denn der positive Impuls kommen soll, der die wachsende Zahl an Insolvenzen zumindest begrenzen könnte. Vielleicht senken die Zentralbanken tatsächlich ab kommenden Jahr (massiv) die Zinsen. Aber selbst wenn dies zu einem Rückgang der Insolvenzen wegen verbesserter Finanzierungsbedingungen führen sollte, dürfte das nur ein Pyrrhus-Sieg sein. Denn im Gegenzug wird die Zahl der Unternehmenszombies weiter steigen.