Zwei relativ aktuelle Entscheidungen des BGH zu Vergütungsansprüchen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters lassen aufhorchen. Denn beiden Entscheidungen des höchsten deutschen Zivilgerichts führten zu nicht unwesentlichen Kürzungen der jeweiligen Ansprüche. Gerade in Zeiten stetig zurückgehender Verfahrenszahlen (s. nur hier) dürfte diese Tendenz für einige Verwalterkanzleien bedrohlich sein.
1. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2021 entschied der BGH:
„Hat der Insolvenzverwalter einem Prozessfinanzierer einen Teil der streitigen Forderung abgetreten oder sich verpflichtet, einen bestimmten Teil des Erlöses an den Prozessfinanzierer auszuzahlen, erhöht nur der Teil des Erlöses die Berechnungsgrundlage, welcher der Insolvenzmasse nach Abzug der dem Prozessfinanzierer zustehenden Beträge zufließt.„
Berücksichtigt man, dass man bei Inanspruchnahme von externen Prozessfinanzierungen bei erfolgreicher Prozessführung zumeist 25% bis 33% des erfolgreich eingeklagten Betrages an den Prozessfinanzierer abgeben muss, dann dürfte diese Kürzung den betroffenen Verwalter empfindlich treffen. Auf der anderen Seite weist der BGH (Rz. 8) zu Recht darauf hin, dass „für die Berechnungsgrundlage […] die gesamte Teilungsmasse [maßgeblich ist], die für eine Verteilung unter den Gläubigern zur Verfügung steht.“
2. Zuvor bereits, mit Beschluss vom 22. Juli 2021 hatte der BGH zu dem einen Energieversorger betreffenden Vergütungsantrag eines vorläufigen Insolvenzverwalters entschieden, dass „die Bestimmungen über die Erhöhung der Mindestvergütung entsprechend der Anzahl der Gläubiger, die ihre Forderungen angemeldet haben, auf die Vergütung des Insolvenzverwalters in Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person nicht anwendbar“ seien. Hinter der sperrigen Formulierung verbirgt sich der (nunmehr formulierte) Grundsatz, dass die schlichte Anzahl der Gläubiger in einem (vorläufigen) Verfahren nicht per se vergütungssteigernd berücksichtigt werden darf.
Der Beschluss sorgte für rege Diskussionen – weit über die Fachwelt hinaus (s. nur hier bei Capital), denn die Ausführungen des BGH waren auch für ein zu diesem Zeitpunkt laufendes Beschwerdeverfahren zur Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters von Air Berlin (s. zum Verfahren selbst bereits hier). Denn in diesem Verfahren hatte der Verwalter die Berechnung seiner nicht ganz unerheblichen Vergütungsforderung auch auf die – zugegebener Maßen hohe – Zahl von 1,3 Mio. Gläubigern gestützt. Unter Zugrundelegung der oben zitierten BGH-Rechtsprechung war das so nicht zulässig.
Fazit: Nach den nicht durchweg für Begeisterung sorgenden Vergütungshöhen in den Insolvenzverfahren von Lehman Brothers (hier) und Arcandor (hier) geben vorliegend – vorgeblich exorbitante – Verwaltervergütungen erneut passablen Diskussionsstoff ab. Während man sich bei der Entscheidung zur Einbeziehung auch des dem Prozessfinanzierer zustehenden Teils einer Forderung durchaus fragen kann, was den Verwalter da geritten hat, ist die an zweiter Stelle diskutierte Entscheidung differenzierter zu betrachten: die schlichte Anzahl der Gläubiger, gerade bei zumeist gleichartigen Forderungen, wie eben beim Energiebezug oder Flugreisen, dürfte die Bearbeitungsintensität des Verwalters pro Gläubiger eher senken. Demgegenüber ist auch zu berücksichtigen, dass – wie der BGH in der zweiten Entscheidung auch anführt (Rz. 29) – Insolvenzverwalter gezwungen sind, eine Mischkalkulation zu betreiben und Verfahren ohne auskömmliche Vergütung mit solchen Verfahren „querzufinanzieren“, in denen die Vergütung eben mehr als auskömmlich ist.
Wie bei sonstigen Dienstleistungen, so ist auch der „Wert“ der Leistungen eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters nur schwer zu berechnen. Die (vielkritisierte) Vergütungsverordnung für Insolvenzverwalter stellt dazu lediglich einen (ausfüllungsbedürftigen) Rahmen zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund ist absehbar, dass die Diskussionen über die Vergütungshöhe immer wieder hochkochen werden. Die Frage ist aber, ob nicht durch ein Mehr an Transparenz bei den Vergütungen (die Vergütungshöhe wird nach § 64 Abs. 2 S. 2 InsO nicht veröffentlicht) auch eine die öffentliche Diskussion befriedende Harmonisierung der Vergütungsentscheidungen erreicht werden könnte.
BGH, Beschl. v. 22.07.2021 – IX ZB 4/21
BGH, Beschl. v. 16.12.2021 – IX ZB 24/21