Was zunächst als „zartes Pflänzchen“ begann (hier), sich dann tatsächlich als „neue Ausrichtung“ entpuppte (so der BGH selber, hier), entwickelt sich spätestens mit dem nachfolgend analysierten Urteil zu einer neuen (alten?) Anfechtungsdoktrin:
Die zentrale Aussage des BGH findet sich in Rz: 27 des Urteils:
„Bezieht sich ein im Wesentlichen gleichbleibendes, dauerhaft schleppendes Zahlungsverhalten des späteren Schuldners auch auf einen Zeitraum, in dem der Schuldner seine Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt hatte, kann aus dem Zahlungsverhalten nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung geschlossen werden.“
Und weiter (Rz 28):
„Da aus dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gegenüber der Beklagten nicht mit hinreichender Gewissheit auf eine Zahlungseinstellung zu einem bestimmten Zeitpunkt geschlossen werden kann, kann auch nicht von einer Kenntnis der Beklagten von einem (unterstellten) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin ausgegangen werden.“
Und schließlich (Rz. 29):
„Dem Anfechtungsgegner, der nur das Zahlungsverhalten des Schuldners ihm gegenüber kennt, fehlt es indes in der Regel an den Kenntnissen, die zur Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderlich sind.“
Fazit: Mit diesen Entscheidungsgründen durchbricht der BGH (erneut) seine bisherige, unselige, als „Kettenvermutungsregel“ bezeichnete Doktrin (s. zur Kritik bereits Beissenhirtz, ZInsO 2016, 1778, 1785, abrufbar hier) und kehrt zu den Basisregeln der Beweislastverteilung im Zivilrecht zurück. Diesem Gewinn an Rechtssicherheit steht zwar ein Weniger an potentiellen Einnahmen aus Anfechtungsprozessen und damit möglicherweise eine geringere Insolvenzquote für die Gläubiger gegenüber. Berücksichtigt man, dass diese Quote bislang trotz der sehr verwalterfreundlichen Rechtsprechung im Schnitt sowieso nur 3,8% (hier) betrug, dürfte es allerdings darauf auch nicht mehr ankommen.